Elchmus (German Edition)
für ihn. „500 Euro“, sagt der Gutachter ein paar Minuten später. „Für alle Möbel, exklusive Fernseher“. „Alles klar“, freut sich Ralf. Die alte Möhre wollen selbst die Armen nicht mehr. Hauptsache Plasma und I-pad. Je älter die Kinder werden, desto normaler ist das alles für sie.
Für Ralf alles kein Thema mehr. Er wird bald weg sein und hat sich eine neue Chance im Leben gesucht. Er wartet nur noch auf St. Ives. Und auf das Meer und seinen neuen Job. Er hat sein Leben geändert, bevor er Hartz 4 wurde und wie tot lebte.
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............ Herr Blitz gehört zur Nachbarschaft wie die Rüschengardine zum Fenster auf dieser Straße im Münsterland. Herr Blitz steht oft und gerne am Fenster und das obwohl er ein Mann ist. Wie ein Tratscher. Er darf ja nichts verpassen. Und das sind keine Polizisten-Allüren. Der Polizeifunk ist auch in seiner Freizeit an.
Zurzeit sitzt er nach Feierabend mal wieder zu Hause am Computer und durchforstet das interne Plozizeinet nach nicht geklärten Verbrechen und wurde heute sogar fündig. Er liest diese E-Mail, die es sogar von England hierher geschafft hat, immer wieder.
Ein Zettel aus einem DIN A4 Karoblock mit Lochmuster wurde vor ca. 2 Wochen gegen 20 Uhr auf dem Fährparkplatz in Dover gefunden. Das wäre wahrscheinlich nicht weiter aufgefallen, hätte an dieser Stelle nicht 5 Minuten zuvor ein französischer Renault mit dem Kennzeichen xxx gestanden. Über den Verbleib des gestohlenen Autos ist bis heute nichts zu berichten. Auf dem Zettel steht eine Einkaufsliste in deutscher Sprache (gekauft werden sollen Sonnenmilch, Shampoo, Toilettenpapier und Kekse) und auch eine Handynummer mit dem Namen Elke. Die Handynummer 0163454565 existiert laut Polizeiangaben nicht.
Alle Tatort-Kommissare, aus München, Münster und Köln sind in ihm erwacht und auch unterwegs. Und auch die neuen aus Dortmund werden gerade geboren. Er muss rauskriegen, wem diese Handy-Nummer gehört. Das ist seine Chance. Mist, ist tatsächlich nicht vergeben, diese Nummer. Auch nicht mit deutscher Vorwahl! Aber es muss diese Nummer mal gegeben haben.
In seinem zur Zentrale umfunktionierten Zimmer hängt eine Kunstranke, die bis zum Boden geht und für Sichtschutz und auch ein wenig Gemütlichkeit sorgt. Neben seinem Schreibtisch steht eine Kunstpalme, die für noch mehr Gemütlichkeit sorgt und an der Wand hängen zwei gekaufte Palmenfotos. Arbeiten macht ihm halt Spaß. Echte Palmen hat Herr Blitz in seinem Leben noch nicht gesehen und sieht daher gar nicht, wie hässlich seine Kunstdinger sind.
Er hat echt keine Ahnung, wie er herausbekommen kann, ob diese Handynummer zu Elke aus seiner Nachbarschaft gehört hat, bevor diese das erste Mal nach England ausgewandert ist. Er kann ja schlecht beim Abschiedsgrillen bei Elkes Eltern das Handy von der Mutter klauen und im SMS-Speicher nach alten Nachrichten mit dieser Nummer suchen. Auch wenn SMSe heutzutage schon vieles eindeutig entlarvt haben. Er muss sich echt was anderes einfallen lassen.
Er liest noch mal die Nachricht, und dann noch einmal. Aber die Ideen fehlen ihm einfach. Auswanderer nehmen kein Toilettenpapier mit, oder? Notpapier? Von einer Frau? Wohl eher nicht, oder? Er ist ja nun nicht wirklich reiseerfahren. Er blickt angestrengt auf seine Palme, die weiterhin unbeeindruckt neben ihm steht.
Noch mehr Annahmen und noch mehr davon bringen ihm überhaupt nichts. Er braucht handfeste Beweise und wählt daher die angegebene Nummer der Polizei in Dover. Er merkt, wie sein Hemd am Rücken festklebt und wie seine Hände eiskalt sind und es trotzdem schaffen, noch kälter zu werden.
Er muss sich auf dieses Gespräch konzentrieren und seriös rüber kommen. Das ist immerhin sein erster internationaler Einsatz. Aus seinem eigenen Home Office. Jetzt bloß keinen Mist bauen. Eine internationale Karriere wäre schon sehr interessant. Und er wäre der erste aus Schapdetten, der... Seine Gedanken werden abrupt gestoppt: „Polizei Dover speaking. How can we help you? “
Herr Blitz macht TH (tie-eitsch)-Geräusche. „Thank you, for taking my call“, stammelt er. Sein Gehirn reißt sich zusammen und wie ein Musterschüler bringt er sein Anliegen fehlerfrei auf Englisch rüber. Er ist ja der Profi und kennt sich aus. Er ist zwar in Schapdetten aufgewachsen und kennt die Gegend samt ihrer so gut wie nicht vorhandenen Verbrechen wie seine eigene Westentasche. Aber er muss hier ja nicht wie allen anderen auch sterben. Die internationale
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