Elchtest - Liebe ohne Grenzen (Junge Liebe)
damit ich die Haustür öffnen kann. Aber bevor ich den Schlüssel ins Schloss stecken kann, wird sie auch schon aufgerissen.
„Wo bleibst du denn so lange? Ich habe mir schon Sorgen um dich gemacht“, werde ich von Wolfgang begrüßt, der mir auch gleich eine der Taschen abnimmt. Freudig bringt er sie in die Küche, um die Hälfte der Flaschen in den Kühlschrank zu legen. Und da nicht genug Platz darin ist, packt er einfach ein paar der verderblichen Sachen raus. „So, den Rest kannst du erst einmal in den Abstellraum bringen, verstanden? Und lauf hier nicht immer mit so einer Trauermine herum. Man könnte ja meinen, es wäre jemand gestorben. Wobei, vielleicht stimmt es ja sogar. Denn so wie es aussieht, bist du ja für deinen Benny gestorben. Sonst würde er sich ja bei dir melden“, lacht er leise vor sich hin, während er zischend das erste Bier öffnet und in die Stube geht.
Mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen. Immer wieder diese Anspie lungen auf Benny. Als wenn ich nicht von alleine weiß, dass er wohl jemand anderen hat. Seufzend räume ich die Milch und die Wurst wieder in den Kühlschrank. Immer darauf bedacht, ja nichts vor die Bierflaschen zu stellen.
Eigentlich wäre es an der Zeit, zu frühstücken. Aber ich kann mich nicht dazu überwinden. Das Ganze hier scheint mir schwer auf den Magen zu schlagen. Ich habe immer wieder das Gefühl, als wenn mein Mageninhalt ans Tageslicht will. Trotzdem nehme ich einen Joghurt mit auf mein Zimmer. Essen werde ich ihn aber noch nicht. Unschlüssig stehe ich, mit dem Becher in der Hand, mitten im Raum und weiß nicht, was ich machen soll. Da Ferien sind, könnte ich mich noch für ein, zwei Stunden hinlegen.
Oder, wo ich schon einmal wach bin, wieder etwas für die Schule machen. Vielleicht da fortsetzen, wo ich gestern aufhören musste.
Ich könnte auch meine Laufschuhe anziehen und eine große Runde joggen. Die frische Luft und die Bewegung würden mich sicher auf andere Gedanken bringen. Und da ich die Woche nicht mehr zum Training gehen werde, bleibe ich so auch fit. Ich entscheide mich für Letzteres und ziehe meinen Trainingsanzug und die passenden Schuhe dazu an. Stecke meinen MP3 Player ein und versuche, so leise wie möglich, die Wohnung zu verlassen.
„Wo willst du hin, Schwuchtel?“, werde ich jedoch aufgehalten. Wolfgang steht in der Tür und sieht mich lauernd an.
„Laufen“, antworte ich leise und schaffe es nicht, ihm ins Gesicht zu sehen.
„Dann mal viel Spaß. Und komm mir nicht so spät nach Hause.“ Damit verzieht er sich wieder und ich greife nach meinem Haustürschlüssel, stecke ihn in die Tasche und ziehe den Reißverschluss zu. Nicht dass ich ihn noch verlieren.
Unten auf der Straße atme ich erst einmal tief ein. Der Sauerstoff tut meinen Lungen gut. Mit der Musik von ‚Coldplay‘ auf den Ohren, beginne ich ganz gemächlich zu laufen. Versuche, meine ganzen unschönen Gedanken auszublenden und einfach nur die Natur zu genießen.
Gemütlich laufe ich am Sportplatz vorbei in den kleinen Wald hinein. Hier haben wir schon so oft unsere Trainingseinheiten abgehalten. Manchmal war Benny sogar mit dabei. Traurig lächelnd laufe ich weiter. Werde immer schnell, weil sich in meinem Innern eine Wut breit macht. Auf alle und auf jeden. Auf Benny, weil er mich allein gelassen hat. Auf Mama, weil ich nicht weiß, ob sie die Wahrheit gesagt hat oder nicht. Auf Robert, der nur auf seinen Profit bedacht ist.
Ein kleines bisschen auch auf Lisa, die mich dafür verantwortlich gemacht hat, dass Benny nicht mehr hier ist.
Und ganz besonders auf den Alten zu Hause, der mich einfach nicht in Ruhe lassen kann.
Ich werde immer schneller und irgendwann sagen mir meine Beine und meine Lungen, dass ich ein Pause machen sollte. Ausgepowert stehe ich da, die Hände auf die Knie gestützt, den Oberkörper nach vorne gebeugt und versuche, wieder normal Luft zu holen.
Es dauert eine ganze Weile, bis sich mein Pulsschlag wieder beruhigt hat. Langsam gehe ich weiter, mache nebenbei noch ein paar leichte Dehnübungen. Nach fast fünfzehn Minuten bin ich wieder soweit, dass ich langsam loslaufen kann. Immer weiter tragen mich meine Füße. Und als ich endlich wieder etwas von meiner Umgebung wahrnehme, muss ich feststellen, dass ich über fünfzehn Kilometer gerannt bin. Über mich selbst erstaunt, schüttele ich den Kopf. So weit bin ich eigentlich noch nie gelaufen. Weil ich normalerweise nicht der Typ bin, der einfach nur so durch die Gegend
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