Eldorin – Das verborgene Land (German Edition)
spielte
mit ihren Haaren. Dabei ließ sie ihr Opfer nicht aus den Augen und bemühte
sich, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. »Du wirst bald einen steifen
Hals bekommen, wenn du die Aufführung noch länger durchhältst«, flüsterte Maya
Anni zu, deren bisher so weit aufgerissene hellblaue Augen ganz schmal vor
Ärger wurden.
»Ist dir nicht wohl, Kind, du isst ja nichts?«,
ließ sich vom Kopfende des Tisches Frau Olm-Grottendunk vernehmen, die Anni in
ihr Herz geschlossen hatte.
Maya unterdrückte mühsam ein Lachen.
Später im Aufenthaltsraum steckte Anni eine
erneute Niederlage ein. Sie hatte vorgehabt, Larin in ein Gespräch zu
verwickeln, aber Max kam ihr in die Quere. Der gab gänzlich unbefangen
irgendeinen langatmigen Witz zum Besten, den er selbst gar nicht richtig
verstanden hatte. Larin stimmte in das fröhliche Gelächter der anderen ein,
denn es war einfach komisch, wie sich Max abmühte und sich dabei selber immer
mehr durcheinander brachte.
Der Aufenthaltsraum lag neben dem Esszimmer im
Erdgeschoss und stand ihnen in ihrer freien Zeit zur Verfügung. Es gab dort
zwei altersschwache geblümte Sofas und mehrere nicht zusammenpassende, aber
ganz bequeme Sessel, die um kleine Tischchen gruppiert waren. Die Tapeten waren
verfärbt und schäbig, mit verblichenen Abbildungen von helllila Wisteriaranken.
An den Wänden befanden sich Bücherregale, deren Inhalt Fiona fast auswendig
kannte, und ein Schrank, vollgestopft mit Gesellschaftsspielen. Auch hier hing
ein Porträt des Heimgründers an der Wand, diesmal hatte er einen ebenso bissig
aussehenden Terrier auf dem Schoß sitzen. Er blickte noch missmutiger auf sie
herab als auf dem Bild im Büro. (»Kein Wunder, dass er so guckt«, hatte Maya
einmal gesagt, »er hängt hier rum und darf nie mitspielen.«)
Maya fühlte, dass Larin eigentlich lieber für
sich geblieben wäre, aber am Abend war es verboten, das Haus zu verlassen.
Obwohl er sich an der Unterhaltung beteiligte, wirkte er manchmal zerstreut und
rutschte unruhig auf seinem Sessel hin und her.
Annis plötzliches Interesse war auch den anderen
älteren Jungen nicht verborgen geblieben. Bislang hatte sie sich erfolglos an
Rick herangemacht, und das war für Qualle gerade noch tolerabel gewesen. Qualle
linste zu Rick hinüber, der mit Thomas in ein Kartenspiel vertieft war. Bei
Rick hatte er schon einmal den Kürzeren gezogen, und deshalb hielt er einen
gewissen Sicherheitsabstand für angebracht. Nicht, dass Qualle sich mit Anni
gut verstanden hätte – sie sah ihn immer an wie etwas, das man sich unter
die Schuhsohlen getreten hat.
Qualles Hundewitze fand nun nicht einmal mehr
seine Bande lustig und Wanzes unechtes, beifälliges Gelächter war reichlich
unbefriedigend. Er war auf der Suche nach einer neuen Aufgabe, irgendetwas,
womit er sein Image aufpolieren konnte. Dieser schwarzhaarige Scheißkerl, den sie
seiner Meinung nach wohl aus irgendeiner Mülltonne gezogen hatten, kam ihm da
gerade recht. Hockte da in seinem Sessel und machte auf cool, und die Weiber
rissen sich um ihn. Nun hatte sich obendrein Bea dazugesetzt. Qualle runzelte
die wulstige Stirn und konzentrierte sich auf die Ausarbeitung eines Plans.
Maya stupste Fiona an »Schau mal zu Qualle
rüber, er sieht aus wie eine Bulldogge mit Bauchkrämpfen.«
Fiona prustete los. Als sie sich etwas erholt
hatte, antwortete sie leise: »Ich glaube, er brütet was aus.«
»Wer brütet was aus?«, wollte Max wissen, der
soeben mit seinem Witz fertig geworden war.
»Schscht. Unser Qualle«, raunte ihm Fiona zu.
Die Zeit sickerte dahin, und der
Gemeinschaftsraum leerte sich nach und nach. Die Jüngeren verzogen sich zuerst
ins Bett. Zu Annis und Beatrices Enttäuschung erhoben sich Larin und Max
zusammen, und Maya schloss sich ihnen mit Fiona an. Maya fühlte Annis wütende
Blicke in ihrem Rücken, als sie gemeinsam das Zimmer verließen, um sich oben im
Flur voneinander zu verabschieden.
Im Schlafsaal hüpfte Fiona aufgeregt zu Maya ins
Bett, um die Ereignisse des Tages zu besprechen, solange die Säuerlich nicht
ihren Kontrollgang gemacht hatte, um für absolute Bettruhe zu sorgen.
»Los, jetzt erzähl doch mal, was hat Larin heute
Morgen so geredet?«
»Hm«, machte Maya, »ich habe ihm erzählt, dass
wir seinen Traum … ähem … gehört haben, und er fand das mit der Zauberei und
den Elfen ganz und gar nicht blödsinnig.«
»Er fand es nicht blödsinnig?«
»Er machte den Eindruck, als fände
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