Eldorin – Das verborgene Land (German Edition)
das!«, zischte Max in bewährter
Lautstärke.
»Hallo, Herr Cornelius!«, grüßte Larin, und der seltsame Mann nickte freundlich und
hob die Hand zum Gruß. Maya musste sich zusammenreißen, ihn nicht mit offenem
Mund anzustarren, denn es sah absonderlich aus, wie die Hand, ohne dass ein Arm
zu sehen war, in die Luft stieg und sich winkend hin- und herbewegte. Herr
Cornelius widmete sich wieder dem Studium seines Buches und blätterte mit der
armlosen Hand die Seite um.
Larin zog Max unauffällig weiter. »Das ist der
Cousin von Herrn Frankenberg, er ist zu Besuch hier. Ich bin ihm gestern Abend schon begegnet, als ich von Caiman
kam. Da war es bereits dunkel, er ist allein durch die Siedlung spaziert, und
ich bin im ersten Moment echt erschrocken. Physiomagieunfälle sieht man nicht
alle Tage.«
»Oh, der Arme hatte einen Physiomagieunfall!«,
rief Fiona mitleidig.
»Ja, und glaubt mir, er ist noch gut dabei
weggekommen. Richtig blöd sieht es aus, wenn der Kopf allein rumschwebt, oder
ein einzelner Arm übrig bleibt. Und egal, was man anzieht, die Kleidung
verschwindet mit.«
»Abgefahren«, bestätigte Max ehrfürchtig, »ich
glaub, ich will furchtbar dringend in den Unterricht bei der Scelesto.«
»Vergiss es«, sagte Maya. »Du kannst so schon
eine Landplage sein, was passiert erst, wenn wir dich nicht mehr sehen können …
Sag mal, Larin, du warst bei Caiman?«
»Ja. Er hat jetzt ein graues und ein blaues
Auge.«
»Ha!«, schrie Max, »du hast ihm eine verpasst!
Das hast du gut gemacht! Warum hast du nicht gesagt, dass du hingehst?«
»Du hast dich mit ihm geprügelt? Aber … wegen
gestern auf der Koppel?«
»Maya, ich hatte ihm schon in der Schule gesagt,
dass ich erwarte, dass er sich bei dir entschuldigt. Nachdem er das nicht getan
hat, bin ich bei ihm vorbeigekommen. Er hat immer noch nicht eingesehen, dass
er Mist gebaut hat und ist absolut unverschämt geworden. Er hat dich beleidigt,
das ging dann echt nicht.« Larin sah auf einmal sehr zornig aus.
»Er hat es wirklich verdient«, erklärte Fiona
überzeugt. »Das war so gemein.«
»Aber du kriegst bestimmt Ärger!« Maya war nicht
sicher, ob sie sich freuen sollte, dass Larin sich für sie geschlagen hatte,
oder ob sie sich Sorgen machen sollte.
»Alles schon erledigt«, sagte Larin
schulterzuckend. »Seine Mama kam gleich zu uns nach Hause gerannt und hat so
getobt, dass wir erst mal im Dunkeln saßen. Die Glimmerfeen sind so was bei uns
nicht gewöhnt und geflüchtet. Wilbur musste Kerzen raussuchen. Er war ganz
froh, aus dem Weg zu sein, denn keifende Frauen findet er entsetzlich. Er sah
aus, als wäre er am liebsten den Glimmerfeen hinterhergeflogen. Ich glaube, er
hat befürchtet, dass Waltraud ebenfalls anfängt zu schreien, sie kann nämlich
richtig laut werden, wenn sie erst mal in Schwung kommt. Aber sie ist ruhig
geblieben und hat gemeint, die Entscheidung, ob und wie ich dafür bestraft
werde, muss die Scelesto schon ihr und Wilbur überlassen. Als ich dann erklären
sollte, warum das überhaupt passiert ist, meinte Waltraud seelenruhig, dass
Frau Scelesto froh sein kann, dass Caiman nur ein blaues Auge hat.«
»Warst du eigentlich auch bei Phoebe?«, wollte
Max wissen.
»Ja, ich hab ihr meine Meinung gesagt. Ich
vermute, jetzt hasst sie mich. Dabei war sie früher … ach, egal.«
Maya schoss ein Gedanke durch den Kopf. Was war
sie früher? In ihn verknallt?
»Ist Wilbur streng?«, erkundigte sich Fiona, als
sie durch das Schultor schritten.
»Er ist fair, aber er lässt einem nichts
durchgehen. Bei mir weiß er immer, wann ich gelernt habe, und wann nicht. Er
fragt mich gnadenlos auch dann ab, wenn ich keine Lust gehabt habe, mich
vorzubereiten. Und er kündigt es nie vorher an, nicht mal andeutungsweise.
Würd’ ich außerdem gar nicht wollen, das wäre ungerecht den anderen gegenüber.
Bei Ragnur Scelesto ist das genau umgekehrt. Sie fragt ihren Liebling nur ab,
wenn er zufällig mal was weiß.«
Larin hatte es recht gut vorausgesagt. Wilbur
war als Lehrer streng, aber er achtete immer darauf, gerecht zu sein und
lockerte den Unterricht mit ein paar Witzen auf. Das hatte der Stoff auch
nötig, fand Maya. In der Deutschstunde besprachen sie gerade ein Gedicht einer
der berühmtesten Nixen des Nordmeeres. Es handelte von einem Wassermann, seinen
Miesmuscheln und ziemlich viel Herzeleid und machte eindeutig depressiv. Maya
fragte sich, wie ein Gedicht, in dem so viel Wasser vorkam, so staubtrocken
sein konnte.
Weitere Kostenlose Bücher