Eldorin – Das verborgene Land (German Edition)
Das wirklich Erfreuliche am Unterricht war, dass Caiman heute
fehlte.
In Geschichte kämpften sie sich durch die
Zwergenkriege, wo Rattpack der Großkotzige Nieswutz den Vorlauten hinrichten
ließ.
Im Erdkundeunterricht behandelten sie die
Bodenschätze des Nebelgebirges, was wenigstens einigermaßen spannend war.
Nach der Erdkundestunde packten Maya, Fiona und
Max ihre Sachen zusammen. Für sie war die Schule heute beendet. Am Flur
begegneten sie Ragnur Scelesto. Maya hatte sie sich unwillkürlich hässlich
vorgestellt, aber das war sie nicht. Sie war dunkelhaarig und hatte ein
schmales Gesicht und die gleichen grauen Augen wie ihr Sohn. Irgendetwas störte
die Harmonie der Züge. Die Mundwinkel waren spöttisch nach unten gezogen, und
ihre Augen hatten einen kalten Glanz. Ihr Blick huschte über die drei und blieb
an Maya hängen. Sie betrachtete sie mit einem gewissen Abscheu, und dann war
sie an ihnen vorbei.
»Ui, die sah aber gar nicht freundlich aus«,
sagte Max, als das Schultor hinter ihnen ins Schloss fiel.
»Ja, sie sah recht miesmuschelig aus«,
pflichtete Maya bei. »Vermutlich hat sie auch Wilburs Gedicht lesen müssen. Es
tut ihr nicht gut.«
»Ich glaube eher, sie verwandelt sich jede Nacht
in einen Vampir«, spann Max den Faden weiter, »sie hatte so einen blutrünstigen
Ausdruck im Gesicht.«
»Solange sie sich tagsüber zurückhält … Larin
hat jetzt gleich Unterricht bei ihr …«
»Hört auf, ihr beiden! Mir wird ganz übel.«
Fiona mochte sich das gar nicht vorstellen. »Außerdem gibt es keine Vampire …
Oder?«
Da sie lediglich drei Fächer gehabt hatten,
blieb ihnen trotz der Hausaufgaben einige Zeit bis zum Mittagessen. Max
beschloss, Elysander und sich selbst eine Freude zu machen, und so spielten sie
mit der Waldanlage, die ein richtig gutes Modell von Eldorin war. Zudem gab es
Drachen und Trolle und eine Nachbildung des königlichen Palastes von Amadur.
Maya war mit Fiona ein Stück in die alte Linde hineingeklettert, und Herr
Bombus servierte ihnen Feentau.
»Ich fasse es immer noch nicht, dass wir hier im
Haus von Luna und Anais sitzen, und alle sind so nett zu uns.« Nachdenklich
spielte Maya mit einer Haarlocke. »Na, sagen wir, fast alle. Der arme Larin
muss gerade die Scelesto ertragen, ich hoffe, er kommt später nicht als Frosch
verwandelt bei uns angehüpft.«
»Oh nein! Nun, er könnte Herrmann Gesellschaft
leisten.« Fiona zwinkerte Maya zu. »Aber im Ernst, mir geht es genau wie dir.
Ich denke kaum an das Waisenhaus zurück. Wahrscheinlich, weil es hier dauernd
etwas Neues zu entdecken gibt. Ich habe gar nicht die Zeit dazu.«
»Ich hoffe, dass du es nicht irgendwann bereust.
Du wärst nie ernsthaft auf die Idee gekommen fortzugehen, wenn ich nicht
gewesen wäre. Ich hab da manchmal echt ein schlechtes Gewissen.«
»Das braucht es wirklich nicht. Es war meine
eigene Entscheidung. Und ich bereue sie nicht.«
Über ihnen raschelte es plötzlich im Geäst. Eine
weiße Taube war in der Linde gelandet und beäugte mit schief gelegtem Kopf die
Menschen im Baum.
»Ich glaube sie meint, dass wir auf ihrem Platz sitzen«,
lachte Fiona.
Die Taube flatterte näher und setzte sich auf
den Ast neben Maya. Sie trippelte heran und blickte sie prüfend an. Plötzlich
startete sie und flog durch ein offenes Fenster ins Haus.
»Hast du gesehen? Es war eine Nachricht am Fuß
befestigt!«, rief Maya. »Vielleicht kommt die Taube aus U … Dingsda. Anais hat
bestimmt eine Botschaft geschickt.«
Maya hatte richtig beobachtet. Als Larin und
Stelláris gekommen waren und sie alle zusammen gegessen hatten, holte Luna
einen kleinen Brief hervor.
»Ich erhielt eine Botschaft von Anais. Er
bestätigt unsere Vermutung. Larin, die Entführer haben dich offenbar wegen
deiner Ähnlichkeit mit deinem Vater erkannt. Wir verstehen die Einzelheiten
dieser Entführung noch nicht, aber entscheidend ist, dass der Schattenfürst nun
weiß, dass du lebst. Nicht nur das. Er scheint dich in Eldorin zu vermuten.«
»Das ist übel.« Larin fuhr sich nachdenklich
durch die schwarzen Haare.
Maya war geschockt. »Was bedeutet das? Wird
Eldorin angegriffen werden? Der Schutzzauber an der Grenze … hätte der
Schattenfürst genug Macht, um ihn zu brechen?«
Luna runzelte die Stirn. »Er hatte schon immer
ein Interesse an Eldorin. Bislang hat er nie gewagt, uns anzugreifen. Doch er
wird immer stärker, je mehr er sich mit der finsteren Seite verbindet. Niemand
ist jemals den ruchlosen Weg
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