Eldorin – Das verborgene Land (German Edition)
Eines schien sie mit riesigen
toten Augen anzuglotzen. In einer Ecke des Zimmers standen Sessel auf hölzernen
Löwenfüßen und vogelbeinige Tischchen.
»Nehmt doch Platz.« Der Lehrer schwenkte elegant
seinen Zauberstab, und vier Sessel kamen angeschossen und gruppierten sich zu
einem Halbkreis. Maya blieb der Mund offen stehen. Sie setzte sich vorsichtig
auf die Kante eines Sessels, der Armlehnen aus Leder in Form eines Krokodils
aufwies.
»Nun«, Herr Frankenberg rieb sich die Hände,
»mit welchem Fach wollen wir heute beginnen? Wie wäre es mit einem, in dem ihr
noch gar keine Erfahrung habt. Würde euch Zauberkunst Spaß machen? – Ah,
da habe ich wohl einen Treffer gelandet«, sagte er fröhlich mit seiner hohen
Stimme, als er in drei begeisterte Gesichter blickte.
Die folgenden zwei Stunden waren sehr lehrreich
und spannend. Herr Frankenberg konnte gut erklären und regte sich nicht auf,
wenn etwas danebenging. So hatte Max beim ersten Versuch, ein fallendes
Ahornblatt zu verlangsamen, dieses so beschleunigt, dass es wie verrückt durchs
Zimmer jagte und den Kater in die Flucht trieb. Er fauchte und raste mit
buschig aufgestelltem Schwanz zur Tür hinaus. ›Na, das war wohl doch nicht Herr
Cornelius‹, wurde Maya klar. Was ihn betraf, hatte sie inzwischen den
ausgestopften Elchkopf an der Wand über dem Schreibtisch in Verdacht, der immer
dann belustigt ein Auge zugekniffen hatte, wenn Fiona an Stelle des Blattes
eine Reihe Bücher getroffen und diese auf den Boden hatte stürzen lassen.
Feuerrot im Gesicht hatte sie sich entschuldigt, aber Herr
Frankenberg hatte dies mit einer Handbewegung abgetan. Maya ging es
anschließend nicht besser. Sie führte die Armbewegung etwas zu
hektisch aus, und ihr Zauberstab stieß einen langen, schrillen Pfiff aus
und spuckte heißes Wasser. Schwungvoll zauberte Herr Frankenberg eine Porzellantasse
dazu und ließ einen Teebeutel hineinfallen.
Nach einer Stunde hatten sie das Blatt soweit,
dass es tatsächlich seinen Fall verlangsamte, und Herr Frankenberg sparte nicht
mit Lob. Nach zwei Stunden hatten sie begriffen, wie sie es zum Auffliegen
bringen konnten.
»Sehr schön.« Herr Frankenberg war zufrieden.
»Ich denke, das ist genug für heute. Übt es bis nächsten Montag. Ich erwarte
euch um die gleiche Zeit.« Er zwinkerte ihnen zu.
»Ich hätte da noch eine Frage …« Maya hatte
lange überlegt, ob sie dafür nicht ausgelacht werden würde. »Falls wir jemals
solchen Wesen wie den … äh … Grauen Schatten gegenüberstehen sollten, wie
würden wir uns verteidigen können?«
Herr Frankenberg kratzte sich am Kinn. »Das ist
bereits fortgeschrittene Magie. Magische Wesen sind bis zu einem gewissen Grad
gegen Zauberkraft immun. Stellt euch das wie eine Art Schutzschild vor, den man
durchdringen muss. Es erfordert hohe Konzentration. Man muss in der Lage sein,
seine Gefühle dabei auszublenden, auch störende Gedanken – und man sollte
auf das Herz oder den Kopf zielen.«
»Heißt das, ich darf dabei keine Angst haben?
Das geht doch gar nicht!« Maya schauderte, als sie an den Wolfsangriff dachte.
»Dass du dabei keine Angst verspürst, ist für
einen Menschen schlichtweg unmöglich.« Herr Frankenberg schmunzelte bei dem
Gedanken. »Aber du musst deine Angst kontrollieren ,
sie darf dich nicht beherrschen . Du
darfst an nichts anderes denken, als an das, was du tun musst, verstehst du
das?«
»Ich glaube schon.«
»Eine weitere Schwierigkeit ist die, dass ein
einziger Spruch allein meistens nicht ausreicht. Klug wäre es, das magische
Wesen erst zu verlangsamen, dann hat man mehr Zeit, rasch zwei oder drei Zauber
hinterher zu schicken.«
»Mit welchem Zauber bringt man so ein Vieh zur
Strecke?« Max hatte gebannt zugehört.
»Mit dem Moriturus, dem Todeszauber. Nun, ich
hoffe doch, dass ihr den nie braucht.«
»Zeigen Sie uns den?«, fragte Maya atemlos.
»Hmm, nun ja …« Herr Frankenberg zwirbelte
grübelnd die Spitze seines schwarzen Bartes. »Nun, es schadet ja nichts, ich
meine, er steht schließlich auf dem Stundenplan, auch wenn ihr noch lange nicht
so weit seid. Ihr dürft ihn aber nur unter Aufsicht probieren und höchstens an
Bitzelfliegen üben, das müsst ihr mir fest versprechen! Gut, also, er geht
folgendermaßen. Ich werde allerdings die Zauberstabbewegung nicht zeitgleich
mit dem Spruch ausführen, sicherheitshalber, sozusagen.«
Herr Frankenberg vollführte eine heftige
Schlängelbewegung mit dem Stab. »Am Schluss
Weitere Kostenlose Bücher