Elea: Die Träne des Drachen (Band 1) (German Edition)
als der heutige.“
Belana hielt ihr Versprechen und kam noch einmal zu Elea, als es bereits schon lange dunkel war. Als sie das Zimmer betrat, zuckte sie erschrocken zusammen, da sie zum ersten Mal Eleas Haar rot glühend leuchten sah. Es glühte in einer solchen Intensität, dass die Frau nicht einmal eine Kerze oder Öllampe anzünden musste. Fasziniert starrte sie auf die schlafende Frau. Sie hatte sie in ihr Herz geschlossen, diese einerseits so rebellische und andererseits manchmal so zerbrechlich wirkende Frau. Sie wusste nicht warum, aber sie hatte ständig das Bedürfnis, sie zu beschützen. Ihr Auftritt am Morgen bei König Roghan war ein Beispiel dafür. Allein die Tatsache, dass sie von ihm verlangte, ihr noch einen Tag Schonung zu gönnen, grenzte schon an Unverfrorenheit. Als er sie dann aufforderte, sich davon zu überzeugen, dass sie noch Jungfrau war, hatte sie sogar vergessen, wer ihr gegenüber saß. Er wies sie zum ersten Mal in herrischem Ton und mit hochrotem Kopf in die Schranken und ließ keinen Zweifel daran, dass er von ihr die Ausführung seines Befehls schnellstmöglichst erwarte. Ihre Frage, warum Eleas Unberührtheit von solcher Bedeutung sei, beantwortete er nur mit einem bösen Blick, der Belana veranlasste, rasch das Arbeitszimmer des Königs zu verlassen.
Belana konnte nicht umhin, eine der drei roten Strähnen aus Eleas exotischem Gesicht zu streichen, dessen linke Gesichtshälfte immer noch angeschwollen und von einem riesigen Bluterguss dominiert wurde. Ihr geschultes Auge hatte jedoch am Tage zuvor auf den ersten Blick die darunter verborgene außergewöhnliche Schönheit dieses Mädchens erkannt. Ihre kleine, fein geschwungene Nase und ihr kleiner, aber mit vollen Lippen versehene Mund standen in Kontrast zu ihren großen, ausdrucksstarken Augen, aus denen ein beispielloses Grün leuchtete. Dieses Grün strahlte um so mehr aus ihrem Gesicht, als es von langen, schwarzen Wimpern und ausgeprägten Augenbrauen kontrastreich umrahmt wurde. Auch wenn sie sie deswegen tadelte, musste sie sich eingestehen, dass die sonnengebräunte Haut ihre fremdartige Schönheit nur noch unterstrich. Die Vorstellung, was der jungen Frau noch bevorstand, ließ ihre Kehle enger werden.
Elea erwachte mit der aufgehenden Sonne. Sie fühlte sich wesentlich besser als am Tag zuvor und sah dem, was heute auf sie zukam relativ gelassen entgegen. Merkwürdigerweise verspürte sie gar keine Angst, vor König Roghan treten zu müssen. Nur die Vorstellung, wieder Darrachs kaltes, abschätzige Lächeln zu sehen, rief in ihr ein beklemmendes Gefühl hervor.
Sie sprang voller Tatendrang aus dem warmen Bett in die Kühle ihres Zimmers, die ihr heute gar nicht so unangenehm erschien wie noch am Tag zuvor. Ohne sich in die Felldecke einzupacken, schritt sie eilig zum Fenster und öffnete es. Sie ließ ihre Blicke durch das dämmrige Licht des anbrechenden Tages über den Garten schweifen – auf der Suche nach Maél. Aber ohne Erfolg. Er war nicht gekommen. Sie seufzte und schloss wieder das Fenster. Dass er wusste, wo sich ihr Zimmer befand, tröstete sie ein wenig.
Mit den übrig gebliebenen Holzscheiten machte sie ein Feuer. Dabei fiel ihr mit einem Mal Maéls Haarsträhne ein, die immer noch in der kleinen Tasche in ihrem Rucksack war. Sie kramte sie hervor und nahm den Beutel mit den chirurgischen Instrumenten heraus. Diese steckte sie zu dem Beutel mit den Weidenrindenstücken, der ohnehin schon fast leer war. Nachdem sie tief den Duft der Haare eingeatmet hatte, stopfte sie den Beutel in das Geheimfach zu der Prophezeiung und den beiden Bildern von Breanna. Kaum hatte sie den Rucksack wieder neben das Bett gestellt, da vernahm sie auch schon Schritte draußen auf dem Korridor. Belana betrat wenige Augenblicke später das Zimmer mit den Kleidern, die Lyria vermutlich die ganze Nacht hindurch geändert hatte. Ihr folgte eine Dienerin, die ein Tablett mit Essen trug. Belana begrüßte Elea mit einem freundlichen und aufmunternden Lächeln. „Euch geht es heute offenkundig besser als gestern. Sehr schön, Elea. König Roghan erwartet Euch im Laufe des Vormittags in seinem Arbeitszimmer, sodass wir jetzt noch genügend Zeit haben Euch herzurichten.“ Elea gefiel das Wort herrichten überhaupt nicht. Sie zog mürrisch die Stirn in Falten, hielt sich aber mit einer bissigen Erwiderung zurück. Belana forderte sie auf, erst einmal an der riesigen Frisierkommode ihr Frühstück einzunehmen, damit sie
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