Elea: Die Träne des Drachen (Band 1) (German Edition)
aufpassen. Ich werde vielmehr auf Maél aufpassen, dass er Euch anständig behandelt.“ Elea sprach nun leiser, da sie Angst hatte, ihre beiden Bewacher würden sie hören. Der Wind heulte jedoch so laut an ihren und Finlays Ohren vorbei, dass sie das leise Sprechen bald aufgeben musste, da Finlay sie kaum verstand. „Aber Finlay das wird Euer Vater niemals erlauben.“
„ Er wird gar nichts davon erfahren. Ich schließe mich Eurer Gruppe außerhalb von Moray an. Mein Vater muss als Erster Heerführer ohnehin hier bleiben. Und ob Darrach tatsächlich mitkommt, glaube ich erst, wenn ich ihn auf seinem Pferd sitzen sehe. Er hat – soviel ich weiß - die letzten Tage, seitdem Ihr hier seid, nur einmal sein Arbeitszimmer verlassen, und zwar als er Euch zusammen mit meinem Vater befragt hat. Er übersetzt unermüdlich an den Schriftrollen herum. Er ist bestimmt irgendeiner Sache auf der Spur, die er solange verfolgt, bis sie ihn irgendwohin geführt hat. Er ist äußerst beharrlich und ausdauernd, was das angeht.“
Sie gingen die Wehrmauer weiter in Richtung Süden. „Maél wird darüber nicht erfreut sein. Wir sind uns seit Jahren nicht wohlgesonnen. Aber er wird einsehen, dass jeder zusätzliche Mann eine willkommene Verstärkung bedeutet. Nicht nur Kälte und Schnee werden unsere Feinde sein. Im Akrachón leben außerordentlich gefährliche Wölfe.“ Eleas Entspannung und Ablenkung verheißender Ausflug entpuppte sich zusehends in einen Albtraum. Nicht nur dass sie sich in einer unbarmherzigen Kälte mit vielleicht unüberwindbaren Schneemassen und Höhen auf die Suche nach ihrem Drachen machen mussten. Jetzt mussten sie sich sogar noch der Gefahr hungriger Wölfe aussetzen, die geradezu auf ein Fressen wie sie und ihre Begleiter warteten. Elea musste einmal mehr gegen eine in ihrem Innern heranwachsende, panische Angst ankämpfen. Von dieser versuchte sie sich abzulenken, indem sie das von Finlay angerissene Thema Maél aufgriff, das ohnehin in den vergangenen fünf Wochen ihr Lieblingsthema war. „Ihr sagtet, dass Ihr seit einigen Jahren Maél nicht mehr wohl gesonnen seid. Das setzt voraus, dass Ihr es einmal ward. Was ist geschehen? Oder vielleicht sollte ich eher fragen: Was ist mit ihm geschehen, dass er so grausam, kaltherzig und voller Hass ist?“ Finlay blieb abrupt stehen und fixierte Elea mit einem forschenden Blick. Nach ein paar Augenblicken setzte er seinen Weg jedoch fort und begann zu erzählen: „Wir waren die besten Freunde, wir waren sogar wie Brüder. Meine Mutter hat ihn behandelt wie einen eigenen Sohn. Er kam vor etwa fünfzehn Jahren zusammen mit Darrach zu uns. Darrach hatte sich ihm angenommen, da seine Eltern ums Leben kamen. So erzählte er es zumindest. Darrach hatte großen Einfluss auf Maél, und dieser Einfluss tat ihm nicht gut. Er war häufig betrübt, aber auch aggressiv. Er verschwand oft für ein paar Tage – niemand wusste wohin. Dann kehrte er häufig mit noch schlechterer Laune wieder heim. Aber trotzdem hatten wir auch schöne Tage zusammen verbracht. Er beschützte mich. Er hat mir sogar zweimal das Leben gerettet, dank seiner außerordentlichen Fähigkeiten.“
Finlay machte eine kurze Pause. „Ich gehe davon aus, dass Ihr diese Fähigkeiten bereits kennt, oder etwa nicht?“ Elea nickte zustimmend.
„ Ich versuchte, ihn immer wieder aus seinen düsteren Stimmungen herauszuholen. Aber je älter er wurde, desto schwieriger wurde es. Eines Tages kehrte er wieder einmal nach einer längeren Abwesenheit zurück. Er hatte sich vollkommen verändert. Er war hartherzig und gefühlskalt geworden und neigte zunehmend zu Gewalttätigkeit. Es wurde von Tag zu Tag schlimmer, sodass ich mich irgendwann von ihm abwandte. Ich schien ihm ohnehin gleichgültig geworden zu sein. Wir wurden beide in meines Vaters Heer zu Kriegern ausgebildet. Maél wurde immer stärker in allem, was er tat. Er lebte nur noch für den Kampf. Es gab keinen, der ihn besiegen konnte. Egal mit welcher Waffe gekämpft wurde, er ging immer als Sieger hervor. Das machte ihn wiederum arrogant. Da er ungern Befehle entgegennahm, es sei denn von Darrach, quittierte er seinen Dienst im Heer und wurde zum Häscher meines Vaters. Er wurde immer mit besonderen Aufgaben betraut. Das Töten anderer – aus welchen Gründen auch immer – gehörte auch dazu. Er kannte keine Skrupel. So wurde aus ihm der Schwarze Jäger .“
Als Elea all dies über Maél erfuhr, wurde sie von einer großen Trauer ergriffen, der
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