Elea: Die Träne des Drachen (Band 1) (German Edition)
sprechen begann. „Ich dachte, es wird für Euch auf Dauer hier in diesem Zimmer langweilig. Zumal Ihr ja gerne an der frischen Luft seid. Ich würde Euch gerne das Schloss von der Wehrmauer aus zeigen. Wir könnten auch auf einen Turm steigen und einfach die Aussicht in allen vier Himmelsrichtungen genießen. Heute ist ein besonders klarer Tag. Ursprünglich wollte ich die Festung mit Euch verlassen und Euch Moray und die Umgebung zeigen. Mein Vater hat dies aber nicht erlaubt. Außerdem hat er zwei Kriegern befohlen, uns zu bewachen. Er traut mir nicht. Ehrlich gesagt, habe ich auch schon daran gedacht, Euch von hier wegzubringen. Das hätte jedoch wenig Sinn, da Maél nicht lange brauchen würde, Euch wieder zu finden.“ Die Worte kamen geradezu aus ihm herausgesprudelt, so als ob er kein einziges Mal zwischendurch Luft hätte holen müssen. Elea kam auf ihn zu. „Mir reicht es vollkommen Moray und die Umgebung vom Schloss aus zu sehen. Ich bin sogar erleichtert, dass wir nicht nach Moray gehen. Bei meiner Ankunft hat mich die Enge und Düsternis, die dort herrschen, fast erdrückt, sodass ich jetzt gut darauf verzichten kann. Hauptsache ich kann mich in der frischen Luft bewegen und mich mit Euch unterhalten. Das ist schon mehr als ich in meiner Lage überhaupt zu hoffen wagte.“ Finlays Lippen verzogen sich zu einem breiten Lächeln, als er in Eleas Worten herauslesen konnte, dass seine Gesellschaft ihr nicht unangenehm war. „Also, worauf warten wir dann noch!?“
Im Gang warteten bereits die beiden Krieger. Sie beäugten Elea neugierig und unverhohlen, womit sie sofort missbilligende Blicke von Finlay ernteten. Er führte sie durch das Gängelabyrinth ins Freie - verfolgt von ihren beiden Bewachern, die sich ihnen, einen kleinen Abstand wahrend, an die Fersen geheftet hatten. Mit einem Mal befanden sie sich in dem riesigen Innenhof, in dem es nur so von Kriegern wimmelte, die ihre Tätigkeit kurz unterbrachen, um die junge Frau ebenfalls zu bestaunen. Elea ignorierte ihr Starren und ließ ihren Blick sofort zum Stall schweifen - in der Hoffnung, dass Maél jeden Moment heraustrat. Finlay steuerte mit ihr einen Durchgang mit einem Rundbogen an, der unter ein Gebäude direkt in den Schlossgarten führte. Eine ganze Schar kleiner Singvögel zwitscherte unter der warmen Sonne, während ein frostiger Wind erbarmungslos durch das blätterlose Geäst der Bäume fegte. Der Himmel erstrahlte in seinem Blau fast wolkenlos über dem Schloss. Elea zog reflexartig ihren Umhang enger um sich und war heilfroh, dass sie Maéls Stück seiner Tunkia um ihren Kopf gebunden hatte. Ein paar Vögel hatte bereits die Verfolgung der vierköpfigen Gruppe aufgenommen und zog die Aufmerksamkeit der beiden befremdlich dreinblickenden Krieger auf sich. Finlay hielt sich glücklicherweise nicht lange in dem Garten auf, sondern ging auf eine Tür zu, die in einen Wehrturm führte. Nach etwa siebzig Stufen gelangten sie an einen Ausgang, der direkt auf den Wehrgang führte. Die enge Wendeltreppe des Wehrturms ging allerdings noch ein Stück weiter und führte zu einer überdachten Plattform, wo eine Handvoll Krieger Wache hielt.
Finlay ging ein paar Schritte den Wehrgang entlang, drehte sich dann um und zeigte mit seiner Hand auf etwas, das hinter Elea lag. „Das ist der Akrachón.“ Elea drehte sich um. Sie musste unwillkürlich die Luft anhalten, als sie das gigantisch hohe Gebirge sah. Sie konnte gar nicht glauben, dass dies das graue Band mit dem weißen Rand sein sollte, das Jadora ihr am Abend, bevor sie in Moray ankamen, gezeigt hatte. Es kam ihr viel, viel höher vor. Vor allem fielen ihr jetzt erst die endlos vielen ungewöhnlich spitz zulaufenden Berge auf, die sich wie die Zähne eines Raubtiers aneinanderreihten. Es kam ihr so vor, als hätte sich das Weiß des Schnees auf den Gipfeln auch schon viel weiter nach unten ausgebreitet. Eines stand unumstößlich fest. Der Winter war im Akrachón bereits eingezogen, wenn er nicht sogar das ganze Jahr über dort wütete. Finlay deutete ihre Sprachlosigkeit richtig. „Elea, allein die Tatsache, dass mein Vater Euch jetzt um diese Jahreszeit dorthin schickt, grenzt an Wahnwitz. Ich hoffe inständig, dass ihr bereits eine Ahnung habt, wie ihr diesen Drachen findet und wenn ja, dass ihr ihn möglichst schnell findet und dass der Zugang zu ihm für uns erreichbar ist. Sonst...“
„ Was meint Ihr mit uns?“, wollte Elea gespannt wissen. „Ich werde Euch begleiten und auf Euch
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