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Eleanor Rigby

Eleanor Rigby

Titel: Eleanor Rigby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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denn nicht, was das bedeutet? ‹ , und ich sagte: ›Nein ‹ , und darauf er: ›Das bedeutet, dass er mit sich selbst verwandt ist. ‹ Ist das nicht zum Schreien?«
    »Das war deine sechste Familie?« Ich staunte immer noch über die Zahl Sechs.
    Er hob irgendwas unter die Eier und zählte, den Blick gen Himmel gerichtet, laut seine Familien auf, um zu sehen, ob er auch keine vergessen hatte. »Sechs. Stimmt genau.« »Wie viele waren es denn insgesamt?«
    »Wenn man die, bei denen ich mehr als einmal war, nicht doppelt zählt, elf, andernfalls vierzehn.«
    »Ich hab mir immer vorgestellt, du würdest in einem freundlichen Vorort bei mir um die Ecke wohnen.«
    »Schön wär's. Ich wurde von einer Familie aus dem Norden adoptiert - Elche, Flinten, betrunkene Autofahrer und Jesus. Als ich in den Kindergarten ging, machten sie den Fehler, mir zu sagen, dass sie mich nur adoptiert hatten, und auch ihre Zwillinge, die ein paar Jahre älter waren als ich, ließen mich das spüren. Es war schlimm: blaue Flecke, gebrochene Knochen und die eine oder andere Verbrennung. In der zweiten Klasse bin ich weggelaufen, und deshalb wurde ich als Problemkind abgestempelt. Von dem Moment rutscht man im Pflegeelternsystem immer weiter ab, bis man in einer ehemaligen Abstellkammer bei einem Paar von Serien-Kinderschändern wohnt, die zwar nach außen hin ganz normal wirken, aber an nichts anderes denken, als ihre staatliche Pflegebeihilfe - zu kassierend Nur aus diesem Grund bringen sie dich nicht um, denn dann würde ihre Einkommensquelle versiegen.«
    Was sollte ich sagen? Ich sagte: »Das Omelette riecht wunderbar. Ich werd mir einen kleinen Baileys dazu gönnen. Möchtest du auch einen?«
    »Hast du noch was anderes?«
    »Eigentlich nicht. Moment - ich hab noch dieses griechische Zeug ... Ouzo.«
    »Das ist alles? Wieso das denn?«
    »Weil ich Angst habe, dass ich zu einer versoffenen alten Schlampe werde, wenn ich Alkohol im Haus habe.«
    »Lass uns den Baileys mit Kaffee trinken. Hast du Kaffee?«
    Hatte ich. Ich mag Kaffee. Ich kochte welchen, goss einen Schuss Baileys in unsere Becher, und dann setzten wir uns zum Essen hin.
    Es mag seltsam klingen, aber es kam mir vor, als hätte ich ein Date — oder eher das, was ich mir unter einem Date vorstellte. Diese Erkenntnis ließ mich für einen Moment erstarren. Mein lange verlorener Sohn taucht auf, und ich sitze mit ihm herum und plaudere über Hunderassen, den Treibhauseffekt und Mariah Careys Karriere. Eigentlich erschreckte mich eher das, worüber wir nicht sprachen: Warum ich ihn überhaupt zur Adoption freigegeben hatte, was für eine Familie ich selbst gehabt hatte, wie ich versucht hatte, ihn zu finden ... Aber dafür sind Familienmitglieder nun mal da. Wir sind nicht deshalb auf sie angewiesen, weil wir so viele gemeinsame Erlebnisse haben, über die wir reden können, sondern weil sie genau wissen, welche Themen sie umschiffen müssen. Für mich gehörte Jeremy bereits zur Familie.
    Wir hatten fast fertig gegessen, als das Telefon klingelte. Da Jeremy näher dran saß, nahm er ab. »Hier bei Liz Dunn.« Pause.
    »Mh-hm. Nein, sie kann jetzt nicht reden.« Pause.
    »Weil wir gerade essen. Was soll ich ihr ausrichten, wer angerufen hat?« Pause.
    »Nein. Wie gesagt, wir essen gerade. Sie ruft bestimmt zurück, sobald wir fertig sind.« Pause.
    »Ich werd's ihr sagen. Wiedersehn.« Er legte auf. »Das war deine Schwester.«
    »Du solltest besser nicht an mein Telefon gehen!« »Warum nicht — schämst du dich für mich?«
    »Jeremy, womöglich hat sie bereits die Polizei angerufen.« »Warum denn?«
    »Das weißt du verdammt gut. Weil, seit ich erwachsen bin, nie jemand anders als ich an mein Telefon gegangen ist.« »Hast du nie Leute hier?« »Was glaubst du denn? Nein.«
    »Spielt es für dich eine Rolle, was deine Familie denkt?«
    »Ja. Allerdings. Sie ist alles, was ich habe.«
    »Jetzt hast du mich.«
    »Ich wollte nur, dass du sie...«
    »Was?«
    »Anders kennenlernst.« Vor meinem geistigen Auge hob sich ein Vorhang über einer langen, von Tausenden von Blitzlichtern erleuchteten Rampe, eine Orchesterfanfare ertönte, und Schwärme von gefärbten Tauben wurden auf ein Stichwort freigelassen.
    Jeremy begann das Geschirr abzuwaschen. Ein leises Summen in meinem Kopf lähmte mich. Wie in Trance saß ich am Tisch und wartete darauf dass Leslie auftauchte, was sie ungefähr acht Minuten später auch tat. Sie klingelte an der Haustür, und ich ließ sie

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