Eleanor Rigby
herein.
»Hallo, Leslie.«
»Lizzie, wer war der Mann vorhin am Telefon? Du hast doch nie Männer hier.« »Danke, Leslie.« ^
Mit dem Handy in der Hand flüsterte sie: »Soll ich die Cops rufen?«
Ich sagte: »Ist es wirklich so sonderbar, dass ich einen Mann bei mir habe?«
»Natürlich ist es das.« In der Erwartung, den Mann meines Lebens zu sehen, ging sie in die Küche. Ich folgte ihr, aber er war nicht da. Dann hörte ich im Badezimmer Wasser laufen.
Leslie flüsterte: »Wie heißt er?« »Jeremy.«
»Jeremy? Niemand in unserem Alter heißt Jeremy.« »Er ist nicht in unserem Alter.«
In dem Moment kam Jeremy, nur mit einer Hose bekleidet, aus dem Badezimmer und fragte: »Liz, hast du ein Hemd, das du mir leihen kannst? Das, was ich anhatte, ist ziemlich hinüber.« Als er Leslie sah, sagte er ganz beiläufig: »Hi. Ich bin Jeremy.«
Leslies Reaktion nach zu urteilen, hätte es auch ein tanzender Snoopy sein können, der da aus dem Badezimmer kam. Sie nahm die Hand, die er ihr hinhielt, und sagte mit einer Stimme, die ihre Verwirrung verriet: »Ich bin Leslie.«
Jeremy sagte: »Was gibt's denn zum Nachtisch, Liz?«
»Du kennst die Küche besser als ich.« Ich nahm ein T-Shirt aus einem Schrank und warf es ihm zu, ein HARD ROCK CAFE HONOLULU-Shirt, das William mir mal geschenkt hatte.
Jeremy schaute Leslie an. »Nachtisch?« Sie nickte kläglich, während er sich langsam das T-Shirt über den Kopf zog. Er sah aus wie ein Callboy; die arme Leslie war völlig fertig.
Das Einzige, was wir in der Küche fanden, waren ein paar Plastikbecher mit Schokoladenpudding, den Jeremy zu einer Art französischer Mousse aufschlug. »Das ist also deine Schwester?«
Leslie sagte: »Warum habe ich bloß das Gefühl, ich träume?«
Ich sagte: »Leslie, es gibt da etwas, das du wissen solltest ...« Ich sah, wie ihre Pupillen auf Stecknadelkopfgröße schrumpften. Merkwürdig, dass mir das in dem Moment auffiel. Ich nahm ein Glas von der Arbeitsplatte und zückte die fast leere Baileys-Flasche. »Willst du was trinken?«
»Ja.«
Ich goss ein Glas voll und gab es ihr. »Leslie, das hier ist mein Sohn, Jeremy. Jeremy, das ist deine Tante Leslie.«
Leslie setzte sich auf einen Hocker und machte ein Gesicht, als wäre ihr gerade eingefallen, wo sie etwas Kostbares hingelegt hatte, das ihr vor vielen Jahren abhanden gekommen war.
»Freut mich, dich kennenzulernen.« Leslie hatte es immer noch die Sprache verschlagen, und Jeremy fügte hinzu: »Kein Grund, einen Drink schlecht werden zu lassen.« Er füllte Leslies Glas auf und nahm einen Schluck.
Leslie schaute mich an, und ich sagte: »Ja. Es stimmt.«
~20~
Der Tag nach unserer Landung in Rom war ein Sonntag, und wir wurden in unserem albanischen Reisebus zur Vatikanstadt kutschiert. Alles, was ich über den Vatikan wusste, war, dass mein Dad verärgert war, weil ich dorthin fuhr - mehr nicht. Ich habe heute noch keine Ahnung, wozu der Papst da ist. Wenn ich mir die Bürointrigen bei Landover Communication Systems anschaue, kann ich mir allerdings, auch wenn ich gar nicht viel darüber weiß, vorstellen, was für eine Schlangengrube der Vatikan sein muss.
Alain, der einzige Katholik im Kurs, hielt Abstand zu uns. Er wusste, dass unsere ketzerische Energie ihn schlichtweg vernichten konnte, und sagte vor unserer Ankunft im Vatikan sinngemäß: »Eine Religion ist dazu konzipiert, den Einzelnen zu überdauern, deshalb ist das, was von außen betrachtet übel und bizarr wirkt, in Wirklichkeit ein System, das langfristig ihr Überleben sichert.«
Nachdem, wir Mädchen bei der Besichtigung darauf hingewiesen worden waren, dass innerhalb der Stadtgrenzen keine Frauen wohnen durften, kam uns unser Ausflug zum Petersplatz wie eine Zeitreise vor. Es war grauenhaft. Die Erinnerungen an unsere charmanten Elfen, wie wir sie nannten, verblassten zwischen den Tausenden von alten Leuten, die Rosenkränze zwischen den Fingern hielten und wie Geisteskranke aus einer längst vergangenen Zeit wirkten. Colleen fragte immer wieder, wo das Wasserbecken war, in dem die Hexen untergetaucht wurden. Niemand von uns hatte Skrupel, außerhalb des Busses zu rauchen. Unter Tausenden von anderen parkte er da auf dem Kopfsteinpflaster, das den damals in Europa allgegenwärtigen Geruch nach Diesel und Urin verströmte. Da Mr. Bürden nichts dagegen unternahm, qualmten wir nach Herzenslust. Er wusste, dass es ebenso erfolgversprechend wäre, uns in Europa wegen Rauchens zurechtzuweisen, wie wenn
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