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Eleanor Rigby

Eleanor Rigby

Titel: Eleanor Rigby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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verabschiedeten uns, und noch bevor der Himmel ganz dunkel war, waren Jeremy und ich eingeschlafen.

~37~
    Im Sommer 1997 wanderte Hale-Bopp Woche für Woche jede Nacht über den Himmel über dem Hollyburn Mountain. Mal war er verwaschen und matt, und manchmal sah er aus wie ein mit einer stumpfen Kindergartenschere ausgeschnittenes Stück Filz — ich habe mich nie daran gewöhnt, das verdammte Ding dort oben zu sehen. Es war unnatürlich; Außer der Sonne und den Sternen finde ich nichts am Himmel natürlich. Selbst der Mond ist — mir fällt kein anderer Ausdruck ein — nur auf Bewährung dort. Dass er nicht einfach immer voll bleiben kann, macht mich verrückt. Halbmond? Zunehmender Mond? Abnehmender Mond? Jetzt entscheide dich doch mal!
    Irgendwie komme ich nicht in die Gänge. Also gut...
    Ich sollte hier vermutlich noch einmal betonen, dass ich übergewichtig bin, ach was, fett. Ich glaube, wir alle haben eine Reihe von Standardmerkmalen im Kopf, wenn wir eine Geschichte lesen. Ich staune immer wieder über Bücher, in denen der Beschreibung der Protagonisten zu viel Gewicht verliehen wird — »Ihr Haar hatte die Farbe von Milch und Mandeln, und beim Gehen hinkte sie stark«, oder: »Er war drahtig und straff. Seine roten Haare bildeten einen Heiligenschein.« Ihr wisst, worauf ich hinaus will. Letztlich haben wir dann doch nur unsere »Universalprotagonisten«, wie ich sie nenne, vor Augen. Egal wovon das Buch handelt oder wann und wo es spielt, sogleich treten unsere inneren Helden auf den Plan, so farblos und berechenbar wie ein Nachrichtenteam. Ich glaube, die weibliche Version des Universalprotagonisten sieht aus wie eine Vollzeitmutter in einer Lame-Robe, während der Mann ein Dachdecker im Smoking sein könnte. Ich bin natürlich weder das eine noch das andere. Ich finde es wichtig, dass ihr wisst, wie ich wirklich aussehe, und sei es nur der Form halber. Also, ich beschreibe mich jetzt mal ein bisschen ...
    Ich bin zu dick, und meine Kleidung ist ... praktisch - meist locker fallende Stoffe, die meine Rundungen verbergen. Büstenhalter? Hört bloß auf. Ich mag Rattantaschen, weil ich darin mehr Sachen mit mir herumtragen kann — vor allem Bücher, die ich allein an einem Tisch im White Spot lese, wo ich außerdem beobachte, wie die Menschen auf mich reagieren. Die kleinen Teenie-Mädchen in ihren knallengen Jeans und mit dem glitzernden Lipgloss erkennen in mir auf Anhieb ein kosmisches Alarmsignal und würdigen mich dann keines Blickes mehr. Männer jeder Altersklasse bemerken mich gar nicht erst. Für sie bin ich wie ein Farnkraut. Frauen über, sagen wir, dreißig nehmen mich durchaus wahr und sind freundlich zu mir, aber sobald sie sich unbeobachtet fühlen, verrät ihr Gesicht, wie finster es in ihrem Innern aussieht - ich bin das, was einmal aus ihnen wird, wenn sie ihre Trümpfe nicht richtig ausspielen. Die Bedienungen im Restaurant warten, glaube ich, immer darauf, dass ich Schwierigkeiten mache, den Hamburger zurückschicke, weil die Frikadelle zu scharf gebraten ist, oder mich beschwere, weil der Weißwein zu sauer ist. Warum? Vielleicht denken sie, dass ich mich so verzweifelt nach Interaktion sehne, dass ein kleiner Streit besser ist als gar nichts.
    Manchmal träume ich davon, hundert Riesen für Schönheitsoperationen auszugeben - mich tunen oder in einen Klon von Leslie verwandeln zu lassen -, aber das werde ich niemals in die Tat umsetzen. Ein Grund dafür ist einfach, dass man als Patient von einem Familienmitglied abgeholt werden muss. Taxis sind nicht erlaubt - nicht mal Stretchlimousinen. Der Gedanke daran, wie Mutter mich im Auto zurechtweist, während ich mumiengleich in sterile Mullbinden eingewickelt dasitze, erstickt diese Idee im Keim - die Weisheitszähne waren schon schlimm genug. Leslie mag ich zwar — meine mondäne Schwester, der Milchroboter mit dem Hindenburg-Namen -, doch unser enges Verhältnis beruht darauf, dass sie die Hübsche ist und ich die Unsichtbare bin. Sie würde irgendeinen Grund erfinden, weshalb sie mich nicht fahren kann. William würde es vermutlich tun, aber ... ich will einfach nichts an mir machen lassen. Will ich einfach nicht. Ich kann es nicht anders ausdrücken. Das ist etwas Grundsätzliches.
    Also stellt mich euch nicht als eure Universalprotagonistin vor. Ich bin weder Jaclyn Smith noch Christy Turlington. Ich bin nicht Demi Moore, und ich bin auch nicht die, die zu eurer Zeit das Äquivalent zu Demi Moore war oder ist. Ich bin

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