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Eleanor Rigby

Eleanor Rigby

Titel: Eleanor Rigby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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sie wirklich?«
    »Na gut. Um die vierzig.«
    »Gute vierzig oder gruselige vierzig?«
    »Gute. Aber ich habe das Gefühl, sie stellt zu hohe Ansprüche und verhebt sich daher, sosehr sie sich auch bemüht, immer in die gleichen Typen.«
    »Ich hatte auch mal die Yuppie-Grippe.«
    »Ach, Quatsch.«
    »Nein, wirklich. Vor zehn Jahren — fast ein Jahr lang. Mutter meinte, das würde ich mir bloß einbilden, und hörte gar nicht zu, wenn ich davon anfing. Leslie sagte, ich sollte erst mal ein Kind kriegen, und dann könnte ich mich mit ihr darüber unterhalten, wie es ist, keine Energie zu haben. William meinte, ich sei kein Yuppie, und die Geschichte von der Yuppie-Grippe sei ohnehin Blödsinn.«
    »Aber das stimmt nicht.«
    »Nein. Ich habe jedoch auch nur daran geglaubt, weil ich wusste, dass ich sie gehabt hatte. Sonst würde ich das Ganze auch für ein Ammenmärchen halten.«
    »Und was hast du dann gemacht?«
    »Nachdem alle nur möglichen Untersuchungen nichts ergeben hatten, habe ich mich damit abgefunden.« »Damit? Was heißt damit?«
    »Sich nach dem Aufwachen vielleicht zehn Minuten gut und dann für den Rest des Tages wie eine eingehende Zimmerpflanze auf seine Schuhe zu werfen, und schon ging jegliches Charisma flöten. Seine Schuhe sprachen zu mir. Sie sagten: »$ 69,95.« Sie waren aus dem glanzlosen Schweinsleder, aus dem sonst Medizinbälle und Hundehalsbänder hergestellt werden. Er besaß fünf unterschiedliche Outfits, eines für jeden Arbeitstag — und alle wurden von Schuhen, die er vermutlich auf einem Flohmarkt gegen eine Autobatterie nebst Kabeln eintauschte, zunichte gemacht. Nein. Er hat sie im Metrotown-Einkaufszentrum für $ 49,95 im Ausverkauf erstanden und hält sie für zweckmäßig. Das sieht ihm ähnlich. Beim letzten, entscheidenden Schritt macht er einen Fehler.
    Außerdem trägt er einen Filzhut im Stil von Jäger des verlorenen Schatzes. Vor ein paar Jahren hatte er mal einen Dreitagebart, der bei den Mädels in der Datenabteilung wochenlang Brechreiz auslöste.
    Doch Moment mal — habe ich nicht vorhin gesagt, es sei witzlos, das Äußere eines Menschen zu beschreiben? Nun, das stimmt — soweit es den Helden und die Heldin betrifft. Bei Nebenfiguren jedoch kann man das durchaus tun, finde ich. Diese Film- und Fernsehschauspieler, die man sofort erkennt, aber deren Namen man sich nie merken wird, haben mir schon immer leid getan. Sie sind einem einfach vertraut, und im Grunde werden sie nur deshalb beschäftigt.
    Als Liam wegging, schlug ich ein paar Akten auf, stocherte darin herum wie in einem Teller Leber mit Zwiebeln und war froh, als das Telefon klingelte. Es war Jeremy, der gerade sein erstes Geschäft abgeschlossen hatte. Ich sagte: »Herzlichen Glückwunsch, du Verkaufsgenie.«
    »Heute ist Kens letzter Tag, und ich wollte ihn beeindrucken. Es war ganz leicht. Da war so eine Frau, die das Chronische Erschöpfungssyndrom oder die Yuppie-Grippe hatte oder wie auch immer das heißt. Wir haben uns beide auf das Modell zu fühlen. Keine Energie zu haben. Kein gar nichts. Ich hab es auf alles Mögliche geschoben - Milchprodukte, Hefe, Mineralstoffmangel, zu wenig Sonne, zu viel Sonne, Alkohol, Epstein-Barr.« »Was ist dann passiert?«
    »Es hat einfach eines Tages aufgehört. Ohne Grund. Einfach so.«
    Ich merkte, dass wir drauf und dran waren, auf diese ganz konkrete Weise über die Symptome der MS zu sprechen, die Jeremy im Gegensatz zu dem pechschwarzen Humor von Ken, dem Schlafberater, verabscheute. Er wechselte das Thema. »Weißt du, einen kleinen, erfüllbaren Traum zu haben hat durchaus etwas für sich. Ich werde einen neuen Verkaufsrekord in unserer Filiale aufstellen. Du wirst schon sehen.«
    »Das glaub ich dir aufs Wort.«
    »Ich muss Schluss machen. Lass uns das Abendessen später besprechen.« Er legte auf.
    Wie weltfremd ich war, zeigt sich daran, dass ich Donna, als sie mal wieder wie ein Erdhörnchen den Kopf hochreckte und fragte: »Wer war das denn?«, nicht einfach auflaufen ließ. Stattdessen sagte ich: »Das war mein Sohn.«
    Ihr fielen fast die Augen aus dem Kopf, doch sie hatte sich rasch wieder gefasst. »Echt?«
    »Ja.«
    »Wie heißt er denn?« »Jeremy.«
    »In welche Klasse geht er?« »Keine Klasse. Er ist zwanzig.«
    Ich konnte mir vorstellen, wie es in Donnas Gehirn arbeitete: Ob er wirklich Liz' leiblicher Sohn ist? Warum hat sie ihn bis jetzt geheimgehalten? Zwanzig? Vielleicht ist er ja ganz schnuckelig. Vielleicht ist er ... Es machte

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