Eleanor Rigby
und saß dort herum.« »Und was hat sie da gemacht?«
»Nichts. Sie ging einfach in anderer Leute Häuser und saß da herum.«
Ich fragte: »Seit wann weißt du das?«
»Einmal, als du nicht zu Hause warst, kam die Polizei zu uns. Eine Frau vom Sozialdienst sagte, das sei nur eine Phase und wir sollten es ignorieren. Mutter hat diesen Rat sehr ernst genommen.«
Jeremy fragte: »Moment mal - die Polizei hat dir erlaubt, bei anderen Leuten einzubrechen?«
Wie aus einem Munde sagten William und ich: »Das war in den Siebzigern. Damals war vieles anders.«
Jeremy schaute mich an. »Und, Mom — hast du gar nichts geklaut?«
»Nein. Darum ging es mir nicht.« Vorwurfsvoll fragte ich William: »Warum hat mir denn nie jemand gesagt, dass ihr Bescheid wusstet?«
»Genau das meine ich. Es hat einiges für sich, wenn man seine Kinder einfach in Ruhe lässt.«
Was sie dann sagten, kriegte ich nicht mehr mit. Vor Verlegenheit war ich puterrot, und ich kam mir idiotisch vor, weil ich geglaubt hatte, niemand hätte etwas gemerkt.
Moment mal ...
Moment mal ...
Nichts passiert — es sind bloß ein paar dieser europäischen Krankenwagen am Fenster meines Hotels vorbeigebraust. Meine Bleibe hier in Wien ist eine Suite mit drei Zimmern - groß und teuer, aber das ist mir egal. Ein Einzelzimmer, und wäre es noch so luxuriös, könnte ich nicht ertragen. Nicht, dass meine Nacht im Gefängnis und auf der Isolierstation so schlimm war, aber ich will einfach in dieser Woche nicht noch einmal in einem Einzelzimmer allein sein.
Der Zug sauste geräuschlos von Frankfurt nach Wien, und auch die Taxifahrt vom Bahnhof hätte bezaubernder nicht sein können: schokoladen- und cremefarbene Tauben, akkurat frisierte graue Haarschöpfe, Zementornamente wie aus Zuckerguss, und hinter jeder Ecke tauchen Kekse auf Papierdeckchen auf. Da Wien im Krieg nicht zerstört worden ist, ist es genau wie Rom alt und verschnörkelt. Frankfurt wurde in Schutt und Asche gebombt, daher ist dort alles neu und rechteckig. Bei mir zu Hause sieht es genauso aus, aber nur, weil das die billigste Bauweise ist. Wie schön, irgendwo auf der Welt einen Ort voller Schnörkel zu haben.
Überdies ist es seltsam, eine Stadt aufgrund äußerer Umstände zu besuchen und nicht aus eigenem Antrieb. Während ich so durch die Straßen Wiens spaziere, muss ich die ganze Zeit denken: Ist das nicht hübsch? Jetzt schau dir das bloß mal an. Ich sehe lauter malerische Dinge, aber nichts davon bleibt hängen, und das will ich auch gar nicht. Ich habe damit nichts zu tun.
Vor allem habe ich mir Schaufenster angeschaut. Nach jahrelangem Getüftel waren sie unwiderstehlich, und sogar ein Schusterladen hatte eine so schöne bunte Auslage, dass ich mich nach Schuhen sehnte, die neue Sohlen brauchten. Nach ein paar Stunden bin ich hierher in meine Suite zurückgekehrt. Ich lag gerade mit meinen Schuhen in der Hand auf dem Bett und inspizierte die Absätze, als das Telefon klingelte. Es war Herr Bayer. Ich hatte eine Nachricht auf seinem Anrufbeantworter hinterlassen, nachdem ich vergessen hatte, ihm von dem deutschen Krankenhaus aus Bescheid zu geben, dass ich mich verspäten würde - er hielt mich bestimmt für total unzuverlässig. »Guten Tag, Miss Dunn.«
»Hallo, Herr Bayer. Tut mir leid, dass ich nicht früher angerufen habe. Mir ist was ... dazwischengekommen.«
»Ich fühle mich geehrt, hier in meinem bescheidenen Büro mit einem internationalen Superstar des Verbrechens zu telefonieren.«
Ich stellte mich dumm. »Ach?«
»Ich habe gehört, dass Sie in Frankfurt mit Steinen und Eimern voll Teer aus der Stadt gejagt wurden.«
Er fand die Sache amüsant, was meinen Stolz verletzte. »Woher wissen Sie das?«
»Wir sind hier in Europa, Miss Dunn. Wir behalten unsere Informationen nicht für uns. Ich gehe davon aus, dass Sie wohlauf sind, nachdem Sie das Gefängnis hinter sich haben. Was machen Sie heute Abend?«
»Darüber habe ich noch nicht nachgedacht.«
»Dann müssen Sie bitte mit mir essen gehen.«
Wir verabredeten uns um acht Uhr im Hotelrestaurant, und ich fragte mich, ob das vielleicht zu früh war und nicht den Gepflogenheiten entsprach - womöglich essen die Wiener erst um zehn. Ach, was soll's. Ich betrachtete meine kurzen Haare im Spiegel. Was habe ich getan? Nun, deine langen Haare haben dich auch nicht weitergebracht, Lizzie. Mir wurde bewusst, dass ich mich fühlte, als würde ich mich für ein Rendezvous schön machen, und da schrillte eine
Weitere Kostenlose Bücher