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Electrica Lord des Lichts

Electrica Lord des Lichts

Titel: Electrica Lord des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Henke
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Leidenschaft geweckt hat.“ Meggie streichelte ihr Haar.
    Zaghaft nickte Sue. „Es ist, als hätte ich gleich zwei wertvolle Dinge verloren.“
    Meggie schnalzte mit der Zunge. „Er wird zurückkehren. Seine Liebe zu dir ist stark. Das war sie immer. Wie lange habe ich darauf gewartet, dass der Herr endlich an die Tür klopft, anstatt das Schreibpapier für dich in aller Heimlichkeit nachts abzulegen.“
    Sue starrte ihre Tante an. „Er war das?“
    „Natürlich. Wer sollte es sonst gewesen sein?“
    Auf einmal kam ihr der Gedanke noch aberwitziger vor, als er ohnehin schon war, dass der mürrische Schulmeister sie auf diese Weise für ihre Arbeit entlohnt haben sollte. „Ich dachte, es wäre von Mr. Ethan, als Lohn sozusagen.“
    Tante Meggie stieß ein freudloses Lachen aus. „Mr. Ethan? Das käme fast einem Akt der Romantik gleich, und wenn er von etwas nichts verstand, dann war es das.“ Sie senkte den Blick und strich fahrig über ihre Bettdecke. „Weißt du, einst habe ich geglaubt, ihn genug zu mögen, um seine Frau zu werden.“
    Sue ließ das Taschentuch sinken. „Wirklich? Aber er war kein netter Mann.“ Sie verkniff sich die Bemerkung, dass sie Mr. Ethan für ausgesprochen unansehnlich und charakterschwach gehalten hatte. Es war nicht nötig, mit ihrer Sicht der Dinge die Gefühle ihrer Tante zu verletzen. Außerdem hatte sich ihre Lage schließlich insoweit verändert, dass es anmaßend gewesen wäre, über die Unschicklichkeiten anderer zu urteilen. Das Leben , hatte ihr gezeigt, wie schnell man in andere Bahnen geraten konnte.
    Doch Tante Meggie lächelte wissend. „Das war er nicht, zumindest später. Als junger Mann war er recht ansehnlich und so klug.“ Ihr Blick richtete sich in die Ferne. „Als er hierherkam, wirkte er verloren. Er kannte niemanden. Und als ich das erste Mal zu ihm ging … nun, er war immer sauber …“ Sie räusperte sich. „Ich habe anfangs nichts bemerkt von seiner Grausamkeit. Er war nicht immer so, doch je älter er wurde, desto mehr veränderte er sich. Wie eine schleichende Krankheit.“
    Unwillkürlich musste Sue an König George denken, dessen Krankheit seinen Geisteszustand derart verschlechtert hatte, dass selbst die Höflinge ihn zeitweise nicht wiedererkannten. Möglicherweise war der Schulmeister von einer ähnlichen Veränderung betroffen gewesen.
    Sue griff nach der Hand ihrer Tante, um sie zum Weiterreden zu ermutigen. Es schien ihr, als lastete dieser Teil ihres Lebens seit langer Zeit auf dem Herzen ihrer Tante. Deren Gesicht hatte sich verdüstert, als zögen dunkle Erinnerungen auf.
    „Irgendwann bekam ich mal wieder mit, wie er einen Schüler züchtigte. Doch etwas war anders. Er war nicht mehr er selbst und hätte den armen Jungen beinahe totgeprügelt mit seinem verfluchten Stock. Ich konnte nicht weiter tatenlos zusehen und habe mich dazwischengeworfen. Dadurch habe ich mein Schicksal besiegelt.“
    Sue entglitt ein entsetzter Ausruf, weil sie ahnte, was nun kam. Ihre Tante atmete tief ein und setzte mit ihrer Erzählung fort.
    „Ich bettelte ihn an, aufzuhören, die Kinder zu misshandeln. Doch Mr. Ethan war längst nicht mehr der Mann, den ich kannte. Er ging meiner Bitte nach, allerdings richtete sich seine krankhafte Grausamkeit fortan gegen mich …“
    „Mein Gott, er hat dich geschlagen.“ Sues Kehle zog sich schmerzhaft zusammen.
    Eine Weile saßen sie schweigend beisammen, dann schüttelte Tante Meggie heftig den Kopf, als wollte sie die düsteren Gedanken vertreiben. „Vergangen ist vergangen. Daran lässt sich nicht rütteln. Man sollte nach vorn blicken. Du solltest nach vorn blicken. Du bist jung und ein wunderbarer Mann steht dir zur Seite.“
    Sue spürte Zuversicht aufsteigen. Vielleicht hatte Tante Meggie recht. Cayden würde zurückkehren. Zumindest zu Duart Castle. Das hatte sie in seinen Augen gesehen.
    „Sieh mal, ich bin einem Scheusal verfallen und, Gott stehe mir bei, ich bin froh, dass er tot ist. Wer kann dir da verübeln, dass du einen Mann liebst, der nicht unbedingt der normalen Vorstellung von uns Menschen entspricht? Wer sind wir schon, dass wir meinen, alles zu wissen, über alles urteilen zu dürfen? So, und nun ist Schluss mit dem Thema. Ich bin so froh, dich wieder hier zu haben, mein Kind.“
    Erleichtert erwiderte Sue das Lachen ihrer Tante, während sie sich die Tränen von den Wangen wischten. Sue klopfte auf den harten Verband an Meggies Bein. „Das ist härter als der Lehmverband, den der

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