Electrica Lord des Lichts
inneren Auge sah sie sich als altes Weiblein neben ihrem strahlenden, alterslosen Gatten. Sie konnte nicht von ihm erwarten, dass er sie bis ans Ende ihrer Tage begleitete. Sie sogar lieben wollte.
„Wir verfügen über unseren Verstand, der uns dazu befähigt, unsere Entscheidungen zu treffen.“ Ein schelmisches Blitzen trat in seine Augen.
Das konnte nicht sein Ernst sein. Es waren ihre eigenen Worte, ausgesprochen in einer anderen Zeit. Eine Ewigkeit schien inzwischen vergangen zu sein. So schnell änderten sich die Dinge. Konnte es wirklich wahr sein? Gab es eine Zukunft zwischen einer Sterblichen und ihm, die alle Zeit überdauern würde? Dann waren da noch die überaus weltlichen Dinge. Er war ein Lord und sie von einfacher Herkunft. „Ich bin nicht deines Standes“, brachte sie mühsam hervor.
Sein Lachen versetzte sie in Erstaunen. „Du bist mir mehr als ebenbürtig. Ich würde dich nicht gegen alle Engel des Himmels tauschen wollen.“
Sie sog scharf den Atem ein, konnte aber ein Lächeln nicht unterdrücken. Er zog sie zu sich hinunter. Unglaublich. Während sie mit aller Kraft gegen die Wogen der Verzweiflung anzukämpfen versuchte, gelang es Cayden, sie zu erheitern. Betroffen richtete sie ihr Augenmerk auf seine Brust, weil sie nicht wagte, ihm in die Augen zu schauen. Erneut regte sich die boshafte Stimme ihrer Zweifel. Sicher war es sein Pflichtgefühl, das ihn bewog, sie zu ehelichen, nachdem sie sich ihm hingegeben hatte. Heldenhaft hatte er sie gerettet. Das musste reichen. Sie versuchte sich zu fassen, bevor sie das Wort erneut an ihn richten würde. Doch ehe sie dazu kam, nahm er ihr Gesicht in beide Hände und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen. Die Worte blieben ihr im Hals stecken bei seinem Anblick.
In seiner Miene spiegelte sich eine solche Vielzahl an Gefühlen, dass Sue kaum vermochte, sie zu benennen. Seine Unterlippe zitterte vor unterdrückten Emotionen, die Wangenmuskeln spannten sich über den mahlenden Backenzähnen. Sein Herz sprach durch seinen Blick, offenbarte eine unbeschreibliche Zärtlichkeit. Aber da war noch mehr in dem schimmernden Grün. Sie konnte es kaum fassen, doch anscheinend fühlte er genau das, was sie glaubte, in seinen Augen zu sehen. Fast hastig musterte er sie vom Scheitel bis zu ihrem Mund, als versuchte er, ihren Anblick aufzusaugen. Befangen fuhr sich Sue mit der Zunge über die trockenen Lippen.
„Hör mir zu, Sue. Du warst es, die mich gerettet hat. Mein Herz ist voller Liebe. Dabei dachte ich lange Zeit, dass in meiner Brust nur ein leerer, schwarzer Fleck sei.“ Sanft klopfte er mit dem Zeigefinger gegen ihre Schläfe. „Dein Verstand vermag es, gegen meine Kräfte anzukämpfen. Ein solcher Geist verdient es, respektiert zu werden. Du bist keine einfache Magd. In dir steckt Großartiges. Die Welt ist voller Geheimnisse. Gemeinsam können wir auf die Suche gehen. Ich verspreche dir, alles wird gut.“ Seine Pupillen weiteten sich leicht, fokussierten sie erwartungsvoll.
Sue glaubte einen Anflug von Angst zu sehen wie ein kaum wahrnehmbares Beben, das sich bis zu seinen Schultern auszubreiten schien. Nicht doch. Er sollte sich nicht sorgen. Ihr Herz machte einen Satz, doch die verdammten Worte wollten nicht über ihre Lippen kommen. Sie schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter, ohne ihren Blick abzuwenden.
„Ja, Lord Maclean. Natürlich will ich deine Lady sein.“ Ihre Worte sprudelten wie kleine Funken aus ihrem Mund.
Sein Lächeln war allumfassend, traf sie mitten ins Herz. Seine Augen blitzten auf, die Haut in seinem Gesicht wirkte so weich, dass sie zum Streicheln einlud. Sie fühlte die Hitze seiner Hände durch den Stoff ihres Kleides. In unsichtbaren Wellen übertrugen sich seine Hoffnungen und seine Zuneigung auf sie, drangen in ihr Innerstes und lösten einenTumult aus, der ihren Körper erbeben ließ. Ihre Knie wurden weich. Sie griff nach seinen Händen, nicht nur haltsuchend, sondern um ihn zu berühren. Erst als er mit den Daumen die Tränen von ihren Wangen wischte, merkte sie, dass sie weinte.
Gebettet auf weichem Moos, über ihr die prachtvollen Baumkronen, deren üppiges Laub nur hier und da einen Blick auf den blauen Himmel zuließ, lag sie später still da und versuchte zu begreifen, welchen wunderbaren Weg das Schicksal letztendlich für sie bereitgehalten hat. Immer noch summte ihre Haut im Nachhall des Liebesspiels. Mit unsagbarer Zärtlichkeit hatte Cayden jeden Zoll ihres Körpers erkundet, sie nach und nach
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