Elefanten vergessen nicht
Gericht sprach ihnen das Sorgerecht für das Kind zu, und die Mutter versuchte, es zu entführen.‹«
»Da gibt es plausiblere Anhaltspunkte«, sagte Poirot, »die sich aus Ihrem Bericht ergeben. Und die mir lieber sind.«
»Zum Beispiel?«
»Perücken. Vier Perücken!«
»Ja«, sagte Mrs Oliver, »ich dachte mir schon, dass Sie das interessiert, wenn ich auch nicht weiß, warum. Es scheint keine besondere Bedeutung zu haben. Bei der anderen Geschichte ging es nur um einen Fall von Geisteskrankheit. Es gibt Leute, die in ein Sanatorium oder eine Klapsmühle kommen, weil sie ihre eigenen Kinder oder ein fremdes umgebracht haben, einfach aus Verrücktheit, ohne jeden Grund. Ich kann nicht einsehen, warum das General und Lady Ravenscroft veranlasst haben sollte, sich umzubringen.«
»Wenn nicht einer von beiden darin verwickelt war«, überlegte Poirot.
»Sie meinen, General Ravenscroft könnte jemanden umgebracht haben – vielleicht ein uneheliches Kind seiner Frau oder von ihm selbst? Oder umgekehrt? Nein, ich finde, wir werden hier ein bisschen zu melodramatisch.«
»Trotzdem«, sagte Poirot. »Die Leute sind für gewöhnlich auch das, was sie zu sein scheinen.«
»Sie meinen…?«
»Sie liebten sich doch! Ein Paar, das ohne Streit glücklich zusammenlebte. Es scheint keinen Krankheitsfall gegeben zu haben – außer der angeblichen Operation –, nichts, was auf Krebs oder Leukämie hinweist, keine Sorgen, denen sie vielleicht nicht gewachsen waren. Und doch, irgendwie stoßen wir immer nur auf Dinge, die möglich, nicht aber wahrschei n lich scheinen. Meine Freunde bei der Polizei, die damals die Untersuchungen durchführten, erklären, dass alle Aussagen mit den Tatsachen übereinstimmten. Aus irgendeinem Grund wollten die beiden nicht mehr weiterleben. Warum?«
»Ich kannte mal ein Ehepaar«, sagte Mrs Oliver, »das beschlossen hatte, sich umzubringen, wenn die Deutschen in England landen würden. Im Zweiten Weltkrieg. Ich fand das sehr dumm. Sie meinten, sie könnten dann unmöglich weiterleben. Ich überlege…«
»Was überlegen Sie?«
»… ob General und Lady Ravenscrofts Tod etwa irgendjemandem genutzt hat.«
»Weil jemand Geld von ihnen erbte?«
»Nun, vielleicht nicht ganz so krass. Aber jemand hätte dadurch bessere Chancen im Leben haben können. Vielleicht gab es etwas, das ihre Kinder nicht erfahren sollten.«
Poirot seufzte. »Das Schwierige ist«, erklärte er, »Ihnen fällt so viel ein, was sich ereignet haben könnte, was so gewesen sein könnte. Sie bringen mich auf Ideen, auf mögliche Ideen. Wenn sie doch auch wahrscheinlich wären! – Warum? Warum mussten die beiden sterben? Sie hatten keine Schmerzen, sie waren nicht krank, sie waren offenbar nicht unglücklich. Warum machten sie dann eines Abends einen Spaziergang in die Klippen, mit dem Hund…«
»Was hat denn der Hund damit zu tun?«
»Nun, ich überlege nur. Nahmen sie den Hund mit oder lief er ihnen nach? Wie kommt der Hund ins Spiel?«
»Ich glaube, es ist wie mit den Perücken. Einfach noch ein Punkt, den man nicht erklären kann und der keinen Sinn zu haben scheint. Einer meiner Elefanten berichtete, dass der Hund besonders an Lady Ravenscroft hing, aber ein anderer erzählte, dass er sie gebissen hätte.«
»Es läuft immer wieder auf dasselbe hinaus.« Poirot seufzte erneut. »Man möchte mehr wissen. Man möchte mehr über seine Mitmenschen wissen, aber wie kann man das, wenn so viele Jahre dazwischenliegen?«
»Nun, ein- oder zweimal haben Sie’s doch geschafft, nicht wahr?«, meinte Mrs Oliver. »Erinnern Sie sich – eine Geschichte mit einem Maler, der erschossen oder vergiftet wurde. Irgendwo am Meer in einer Art Burg oder so was. Sie fanden heraus, wer es getan hatte, obwohl Sie von den Leuten überhaupt niemanden kannten.«
»Stimmt. Ich kannte niemanden, aber ich erfuhr von den Leuten, die dort wohnten, genaue Einzelheiten über sie.« [siehe: Das unvollendete Bildnis]
»Eben das versuche ich ja auch«, antwortete Mrs Oliver. »Nur komm ich nicht nahe genug ran. Ich kann niemanden finden, der wirklich Bescheid weiß, der dabei war. Meinen Sie wirklich, wir sollten aufgeben?«
»Das wäre wohl das Vernünftigste.« Poirot nickte. »Aber es gibt einen Moment, wo man einfach nicht mehr vernünftig sein will. Man will mehr herausfinden. Jetzt interessiert mich dieses Paar, mit den beiden netten Kindern. Ich nehme doch an, dass es nette Kinder sind?«
»Den Jungen kenne ich nicht«, erwiderte Mrs
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