Elefanten vergessen nicht
wieder fest, dass sich die Leute oft für Dinge interessieren, die sie gar nichts angehen. Manchmal mehr, als für Dinge, um die sie sich kümmern müssten.«
»Die Geschichte ist doch längst vorbei. Niemand wusste viel darüber, nichts Genaues. Aber, sehen Sie, meine Mutter stellt andauernd Fragen. Sie möchte alles Mögliche wissen, und jetzt hat sie’s mit Celia. Sie hat Celia so weit gebracht, dass sie nicht mehr weiß, ob sie mich heiraten möchte oder nicht.«
»Und Sie? Wissen Sie es?«
»Ja, natürlich! Ich möchte sie heiraten. Ich bin fest entschlossen. Aber sie ist ganz verwirrt. Sie möchte Bescheid wissen. Sie möchte wissen, warum es passierte, und sie glaubt – obwohl ich überzeugt bin, dass sie sich irrt –, sie glaubt, dass meine Mutter was weiß oder gehört hat.«
»Ich habe viel Sympathie für Sie«, sagte Poirot, »aber mir scheint, dass – wenn Sie vernünftige junge Leute sind und wenn Sie heiraten wollen – es keinen Grund gibt, warum Sie es nicht tun sollten. Ich habe auf meine Bitten hin einige Informationen über das traurige Ereignis bekommen. Wie Sie schon sagten, hat es sich vor vielen Jahren zugetragen. Es gab keine ausreichenden Erklärungen. Es gab nie welche. Aber im Leben bekommt man eben nicht immer Erklärungen für all die traurigen Dinge, die sich ereignen.«
»Es war Doppelselbstmord«, meinte der junge Mann. »Es kann gar nicht anders gewesen sein. Aber…«
»Sie möchten die Ursache kennen. Ist es das?«
»Ja. Deshalb ist Celia so bekümmert, und sie hat mich schon beinahe angesteckt. Meine Mutter ist auf jeden Fall beunruhigt, obwohl, wie schon gesagt, es sie absolut nichts angeht. Ich glaube nicht, dass man irgendjemandem die Schuld geben kann. Es gab keinen Streit oder so was. Das Schlimme ist eben, dass wir nicht Bescheid wissen. Ich könnte sowieso nichts wissen, weil ich ja nicht dort war.«
»Sie haben General oder Lady Ravenscroft nicht gekannt?«
»Nein. Aber Celia hab ich mehr oder weniger mein ganzes Leben lang gekannt. Die Leute, bei denen ich die Ferien verbrachte, waren ihre Nachbarn – als wir Kinder waren. Wir haben uns immer gern gemocht und uns gut verstanden. Später habe ich Celia viele Jahre nicht gesehen. Ihre Eltern gingen nach Indien, wissen Sie, und meine auch. Sie haben sich dort wieder getroffen – ich meine, mein Vater und meine Adoptivmutter. Mein Vater ist übrigens tot. Aber meine Mutter hatte wohl irgendwas gehört, als sie in Indien war, und sich jetzt wieder daran erinnert und darüber aufgeregt. Sie bildet sich Dinge ein, die einfach nicht stimmen können: Aber sie ist entschlossen, Celia damit zu quälen. Ich möchte wirklich wissen, was passiert ist, und Celia auch. Den Grund! Das Motiv! Nicht bloß das blöde Gerede der Leute.«
»Ja«, antwortete Poirot, »es ist durchaus natürlich, dass Sie beide so empfinden. Aber ist es wirklich wichtig? Was eine Rolle spielt, ist doch das Heute, die Gegenwart. Das Mädchen, das Sie heiraten möchten und das Sie heiraten will – was hat die Vergangenheit mit Ihnen zu tun? Was spielt es für eine Rolle, ob ihre Eltern gemeinsam Selbstmord begingen oder bei einem Flugzeugunglück ums Leben kamen, ob einer der beiden verunglückte und der andere später Selbstmord beging? Oder ob da eine Liebesaffäre war, die sie unglücklich machte?«
»Was Sie sagen, ist sicher vernünftig und völlig richtig, aber die Angelegenheit hat sich nun in einer Weise entwickelt, dass ich dafür sorgen muss, dass Celia zufrieden ist. Sie gehört zu den Menschen, bei denen alles tiefer geht, auch wenn sie nicht viel darüber reden.«
»Ist Ihnen nie der Gedanke gekommen«, sagte Hercule Poirot, »dass es sehr schwierig, ja unmöglich sein könnte festzustellen, was wirklich geschah?«
»Sie meinen, ob einer den andern tötete und wenn ja, wer und warum? Nicht, wenn wirklich etwas dahinter gewesen ist.«
»Aber dieses ›Etwas‹ ist in der Vergangenheit passiert, warum sollte es jetzt eine Rolle spielen?«
»Es würde auch keine spielen, wenn meine Mutter sich nicht eingemischt und in der Sache herumgestochert hätte. Ich glaube auch nicht, dass Celia sich je viele Gedanken darüber gemacht hat. Sie war in der Schweiz auf der Schule, als diese Tragödie passierte, und keiner hat ihr viel erzählt, und wenn man ein Teenager ist, akzeptiert man die Dinge meistens doch so, wie sie sind, als hätten sie eigentlich nichts mit einem zu tun.«
»Glauben Sie dann nicht, dass Sie vielleicht etwas
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