Elefanten vergessen nicht
fürchte doch, ich konnte nicht sehr behilflich sein.«
»Glauben Sie das nicht«, rief Poirot. »Ich bin sicher, dass einige der Notizen in Ihrem hübschen kleinen, purpurroten Notizbuch mit der Tragödie wirklich etwas zu tun haben. Ich kann Ihnen sagen, dass meine eigenen Nachforschungen in den offiziellen Untersuchungsprotokollen über diese beiden Todesfälle ergeben haben, dass die Sache nach wie vor ein Geheimnis ist. Jedenfalls in der Sicht der Polizei. Das Ehepaar war sich sehr zugetan; es gab keinen Klatsch oder Gerede über sexuelle Probleme, keine Krankheit, die einen Selbstmord gerechtfertigt hätte. Ich spreche jetzt nur von der Zeit, die der Tragödie unmittelbar voranging. Aber da sind noch die Jahre, die weiter zurückliegen.«
»Ich weiß«, sagte Mrs Oliver, »darüber habe ich was von meiner alten Kinderfrau gehört. Sie ist jetzt – ich weiß nicht, sie sieht wie hundert aus, aber sicher ist sie nur achtzig. Sie war schon in meiner Kindheit nicht mehr jung. Sie hat mir immer Geschichten erzählt, von Leuten, die im Kolonialdienst waren – in Indien, Ägypten, Siam, Hongkong…«
»War es interessant?«
»Ja«, antwortete Mrs Oliver, »sie erzählte von einem tragischen Ereignis. So genau wusste sie nicht mehr, was eigentlich passiert war. Ich bin nicht sicher, ob es sich auf die Ravenscrofts bezog, es könnte auch mit anderen Leuten dort zu tun gehabt haben, sie erinnerte sich nicht genau an die Namen. Es handelte sich um Geisteskrankheit. Irgendjemandes Schwägerin war geisteskrank, entweder die Schwester des Generals oder die Schwester seiner Frau. Sie war jahrelang in einer Heilanstalt. Soviel ich verstand, hat sie ihre Kinder getötet oder versucht, sie zu töten, und dann dachte man, sie wäre geheilt, und sie kam nach Ägypten oder Indien oder wo das war, um bei ihren Verwandten zu leben. Da scheint sich noch eine Tragödie ereignet zu haben, auch im Zusammenhang mit Kindern. Jedenfalls wurde es vertuscht. Aber ich überlege, ob in der Familie von Lady Ravenscroft oder der ihres Mannes jemand geisteskrank gewesen sein könnte. Es braucht ja keine nahe Verwandte, wie zum Beispiel eine Schwester, gewesen zu sein. Vielleicht war es eine Cousine? Aber es schien mir des Nachdenkens wert.«
»Ja«, sagte Poirot, »oft schlummert alles mögliche viele Jahre lang, und plötzlich taucht es aus der Vergangenheit auf und existiert einfach. Wie mal jemand zu mir sagte: Alte Sünden werfen lange Schatten.«
»Nicht, dass es wahrscheinlich ist«, sagte Mrs Oliver, »dass die gute Mrs Matcham sich richtig erinnert, aber es könnte zu dem passen, was dieses schreckliche Weib auf dem Literatenessen zu mir sagte…«
»… als sie wissen wollte…«
»Ja. Als sie mich bat, mein Patenkind zu fragen, ob ihre Mutter ihren Vater oder ihr Vater ihre Mutter tötete.«
»Und sie dachte, das Mädchen müsste etwas wissen?« Poirot runzelte die Stirn.
»Nun, das ist doch sehr wahrscheinlich. Nicht zum Zeitpunkt der Tat – man könnte es ihr verschwiegen haben –, aber sie könnte später Dinge erfahren haben, die ihr verrieten, wie das Leben ihrer Eltern war und wer wen tötete, wenn sie’s auch wahrscheinlich niemals erwähnen oder überhaupt darüber sprechen würde.«
»Und Sie meinen, dass diese Mrs…«
»Ja. – Ich hab ihren Namen vergessen. Mrs Burton-Soundso. Sie erzählte mir, dass ihr Sohn eine Freundin hätte und sie heiraten wollten. Ich kann schon verstehen, dass man da wissen möchte, ob der Vater oder die Mutter Kriminelle oder Geisteskranke in der Familie hatte. Wahrscheinlich dachte sie, dass, wenn die Mutter den Vater getötet hatte, es sehr unklug von dem Jungen wäre, die Tochter zu heiraten. Wenn dagegen der Vater die Mutter umbrachte, hätte ihr das wohl nicht so viel ausgemacht.«
»Sie meinen, sie glaubte, es würde sich nur in der weiblichen Linie vererben?«
»Nun, sie ist nicht gerade der Typ einer besonders klugen Frau. Tyrannisch«, fügte Mrs Oliver hinzu. »Sie glaubt, eine Menge zu wissen, aber das stimmt nicht. Eine Frau könnte jedoch so denken.«
»Ein interessanter Gesichtspunkt, und sehr gut möglich«, antwortete Poirot. Er seufzte. »Wir haben noch viel zu tun.«
»Ich hab noch eine andere Ansicht zu dem Fall. Aus zweiter Hand. Sie wissen schon. Jemand sagt ›Die Ravenscrofts? War das nicht das Ehepaar, das ein Kind adoptierte? Und dann, als die Sache perfekt war, wollte die richtige Mutter es zurückhaben und es kam zu einer Gerichtsverhandlung. Das
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