Elefanten vergessen nicht
sind Desmond Burton-Cox. Bitte, setzen Sie sich und erzählen Sie mir, was ich für Sie tun kann.«
»Es ist alles ziemlich schwierig«, meinte Desmond Burton-Cox.
»Das ist häufig so«, beschwichtigte Hercule Poirot, »aber wir haben ja genügend Zeit. Setzen Sie sich doch.«
Desmond sah den Mann, dem er nun gegenübersaß, etwas zweifelnd an. Wirklich, eine komische Erscheinung, dachte er. Der eiförmige Kopf, der große Schnurrbart. Nicht sehr beeindruckend. Im Grunde nicht ganz, was er erwartet hatte.
»Sie sind Detektiv, nicht wahr?«, fragte er. »Die Leute kommen zu Ihnen, um Sie zu bitten, bestimmte Dinge für sie herauszufinden.«
»Ja«, sagte Poirot, »das ist eine meiner Aufgaben im Leben.«
»Ich nehme nicht an, dass Sie den Grund für mein Kommen kennen oder genau wissen, wer ich bin.«
»Ich weiß einiges.«
»Sie meinen Mrs Oliver. Ihre Freundin, Mrs Oliver. Hat sie Ihnen etwas erzählt?«
»Sie erzählte mir, dass sie mit ihrer Patentochter, Miss Celia Ravenscroft, gesprochen hat. Das stimmt doch, nicht wahr?«
»Ja. Ja, Celia hat’s mir gesagt. Mrs Oliver, ist sie… kennt sie auch meine Mutter – gut, meine ich?«
»Nein. Ich glaube nicht, dass sie sich näher kennen. Laut Mrs Oliver haben sie sich kürzlich auf einem Literatenessen getroffen und ein paar Worte gewechselt. Soviel ich begriff, hat Ihre Mutter an Mrs Oliver ein bestimmtes Ansinnen gestellt.«
»Dazu hatte sie kein Recht«, erklärte der junge Mann.
Seine Augenbrauen zogen sich über der Nase zusammen. Er sah jetzt ärgerlich aus, ärgerlich und beinahe wütend.
»Also wirklich«, sagte er, »wenn Mutter…«
»Ich verstehe«, sagte Poirot. »Heute findet man solche Gefühle häufig, und früher gab es sie genauso. Mütter tun ständig Dinge, die sie nach Ansicht ihrer Kinder lieber lassen sollten. Habe ich Recht?«
»Stimmt genau. Meine Mutter mischt sich in Dinge, die sie wirklich nichts angehen.«
»Sie und Celia Ravenscroft sind, soviel ich weiß, eng befreundet. Mrs Oliver erfuhr von Ihrer Mutter, dass Sie an Heirat denken. Vielleicht schon in naher Zukunft?«
»Ja, aber meine Mutter sollte wirklich keine derartigen Fragen stellen und sich über Dinge beunruhigen, die sie – die sie nichts angehen.«
»Mütter sind eben so.« Poirot lächelte leise. Dann fügte er hinzu: »Sie sind Ihrer Mutter wohl sehr zugetan?«
»Das möchte ich nicht sagen«, meinte Desmond. »Nein, das möchte ich wirklich nicht behaupten. Sehen Sie – nun, ich sag’s Ihnen besser gleich: Sie ist nicht meine richtige Mutter.«
»Oh, tatsächlich? Das wusste ich nicht.«
»Ich wurde adoptiert«, erklärte Desmond. »Sie hatte einen Sohn, einen kleinen Jungen, der starb. Und da wollte sie ein Kind annehmen, und so hat man mich adoptiert. Sie spricht immer von mir als von ihrem Sohn und empfindet für mich wie für einen leiblichen Sohn, aber in Wirklichkeit bin ich’s gar nicht. Wir sind uns kein bisschen ähnlich. Wir haben auch ganz unterschiedliche Ansichten.«
»Sehr verständlich«, sagte Poirot.
»Aber ich scheine nicht weiterzukommen«, sagte Desmond, »mit meinem Anliegen.«
»Sie wollen doch, dass ich etwas für Sie herausbekomme, dass ich bestimmte Nachforschungen durchführe?«
»Ja, so ungefähr. Ich weiß nicht, wieweit Sie über die ganze Sache informiert sind.«
»Nur wenig«, antwortete Poirot. »Keine Einzelheiten. Ich weiß nicht viel über Sie oder Miss Ravenscroft, die ich noch nicht kenne. Aber ich würde sie gern kennen lernen.«
»Ja, ich wollte sie schon mitbringen, aber dann dachte ich, ich spreche lieber zuerst allein mit Ihnen.«
»Das ist recht vernünftig«, stimmte Poirot zu. »Sind Sie unglücklich? Beunruhigt? Haben Sie Schwierigkeiten?«
»Nicht wirklich, nein. Es müssten gar keine Schwierigkeiten sein. Eigentlich gibt es auch keine. Was passiert ist, liegt viele Jahre zurück, Celia war noch ein Kind, ein Schulmädchen. Und eine solche Tragödie kann immer wieder geschehen – jeden Tag, jederzeit. Dass zwei Menschen, die man kennt, etwas so aus der Fassung bringt, dass sie Selbstmord begehen. Es war eine Art Selbstmordpakt. Niemand hat viel darüber gewusst, über die Ursache und so weiter. Aber schließlich, so was passiert nun mal, und es ist nicht Sache der Kinder, sich über den Grund Gedanken zu machen. Wenn sie die Tatsachen wissen, ist das genug, sollte man meinen. Und meine Mutter geht es überhaupt nichts an.«
»Wenn man sich so umsieht«, antwortete Poirot, »stellt man immer
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