Elefanten vergessen nicht
Poirot ab, »Sie machen Ihre Sache recht gut. Es interessiert mich. Ich glaube, Sie haben etwas ganz Bestimmtes im Auge. Ist Celia Ravenscroft damit einverstanden?«
»Ich habe ihr nicht sehr viel erzählt. Wissen Sie, sie mochte Maddy und Zélie sehr gern.«
»Maddy und Zélie?«
»Ja, so heißen sie. Lassen Sie mich erklären! Als Celia noch ein Kind war – damals, als ich sie während der Ferien kennen lernte –, hatte sie ein französisches Au-pair-Mädchen: Damals hießen sie noch Gouvernanten. Eine Mademoiselle. Sie war furchtbar nett. Sie spielte mit uns Kindern, und Celia nannte sie einfach Maddy – wie die ganze Familie.«
»Aha. Eine Mademoiselle!«
»Ja, und sehen Sie, da Sie doch Franzose oder Belgier sind, dachte ich, sie würde Ihnen vielleicht Dinge erzählen, die sie andern Leuten nicht erzählt.«
»Soso. Und die andere Dame, die Sie erwähnten?«
»Zélie. Auch eine Mademoiselle. Maddy war, glaube ich, ungefähr zwei oder drei Jahre dort und kehrte dann nach Frankreich zurück, oder in die Schweiz. Dann kam die andere. Sie war jünger. Celia nannte sie Zélie. Die ganze Familie nannte sie Zélie. Sie war jung, hübsch und lebenslustig. Wir liebten sie alle schrecklich. Die ganze Familie. Auch General Ravenscroft.«
»Und Lady Ravenscroft?«
»Sie mochte Zélie sehr gern, und Zélie sie. Deshalb kam sie ja zurück.«
»Sie kam zurück?«
»Ja, als Lady Ravenscroft im Krankenhaus gewesen war, kam Zélie zurück und pflegte sie. Ich weiß es nicht ganz sicher, aber ich glaube, sie war dort, als es – als die Tragödie passierte. Und deshalb, sehen Sie, müsste sie wissen, was wirklich geschah.«
»Kennen Sie ihre Adresse? Wissen Sie, wo sie wohnt?«
»Ja. Ich habe beide Adressen. Ich dachte, Sie könnten vielleicht hinfahren und sie besuchen. Es ist zwar etwas viel verlangt…« Er brach ab.
Poirot sah ihn nachdenklich an. Dann meinte er: »Ja, das ist allerdings eine Möglichkeit…«
11
C hefsuperintendent Garroway sah Poirot über den Tisch hinweg an. Seine Augen funkelten. George servierte ihm einen Whisky mit Soda, ging zu Poirot hinüber und stellte ein mit einer dunkelroten Flüssigkeit gefülltes Glas neben ihn.
»Was trinken Sie denn da?«, fragte Garroway interessiert.
»Schwarzen Johannisbeersaft.«
»Na ja«, meinte Garroway, »jeder nach seinem Geschmack! Was hat mir Spence erzählt? Dass Sie früher immer tisane tranken? Was ist das, eine Art französisches Klavier, oder was?«
»Nein«, sagte Poirot, »es drückt das Fieber herunter.«
»Aha. Rauschgift für Kranke!« Er trank einen Schluck aus seinem Glas. »Also«, prostete er, »auf den Selbstmord!«
»War es Selbstmord?«
»Was denn sonst?« Er schüttelte den Kopf.
»Tut mir leid«, meinte Poirot, »dass ich Ihnen so viel Mühe mache. Ich bin wie ein Kind oder Tier in einer der Geschichten Ihres Mr Kipling: Ich leide an unstillbarer Neugierde.«
»Unstillbare Neugierde«, sagte Garroway. »Hübsche Geschichten hat er verfasst, der Kipling. Wusste, wovon er schrieb. Man erzählte mir einmal, dass er eine kurze Besichtigungstour durch einen Zerstörer machen könne und dann genauer über das Schiff Bescheid wisse als die besten Ingenieure der königlichen Marine.«
»Leider«, sagte Hercule Poirot, »weiß ich nicht soviel. Deshalb, verstehen Sie, muss ich Fragen stellen. Ich fürchte, ich habe Ihnen da einen recht langen Fragebogen geschickt.«
»Mich beschäftigt«, sagte Garroway, »wie Sie von einer Sache zur anderen springen: Psychiater, ärztliche Protokolle, wer Geld hinterließ, wer Geld hatte, wer Geld bekam. Wer auf Geld hoffte und keins bekam. Einzelheiten über Damenfrisuren, Perücken, Perückenlieferanten – die Dinger kamen übrigens in reizenden rosafarbenen Kartons.«
»Sie wussten über diese Details genau Bescheid«, sagte Poirot. »Das hat mich erstaunt, kann ich Ihnen sagen!«
»Na ja, es war ein rätselhafter Fall, und wir haben natürlich alles genau notiert. Es nützte nicht viel, aber es steht alles in den Akten, falls jemand nachsehen will.«
Er schob ein Blatt über den Tisch.
»Hier. Der Friseur hatte sein Geschäft in der Bond Street. Teure Firma – Eugen and Rosentelle. Später zogen sie um in die Sloane Street. Dies ist die Adresse. Aber jetzt ist es eine Tierhandlung. Zwei Angestellte wurden übernommen und traten vor ein paar Jahren in den Ruhestand, aber damals waren sie Topleute. Lady Ravenscroft stand auf ihrer Stammkundenliste. Die Rosentelle wohnt jetzt in
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