Elefanten vergessen nicht
sie.
Poirot beugte sich über Mrs Burton-Cox’ Hand.
»Ich glaube, er ist der einzige Mensch, der Ihnen helfen kann, meine Liebe. Sie wissen schon, bezüglich meinem Patenkind Celia Ravenscroft.«
»Ach ja, wie freundlich von Ihnen, sich daran zu erinnern. Ich hoffe so sehr, dass Sie mir ein bisschen mehr über das, was wirklich geschah, berichten können.«
»Ich war leider nicht sehr erfolgreich«, antwortete Mrs Oliver, »und das ist auch der Grund, warum ich Monsieur Poirot hergebeten habe. Er ist großartig, einer der besten in seinem Beruf. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie vielen Freunden er schon geholfen und wie viele Geheimnisse er schon aufgeklärt hat. Und die Geschichte damals war so tragisch.«
»Ja, wahrhaftig«, sagte Mrs Burton-Cox. Ihre Augen schauten immer noch zweifelnd drein. Mrs Oliver bat sie, Platz zu nehmen.
»Was darf ich Ihnen anbieten?«, fragte sie. »Ein Glas Sherry? Für Tee ist es wohl zu spät. Oder hätten Sie lieber einen Cocktail?«
»Ein Glas Sherry, bitte. Sehr freundlich.«
»Monsieur Poirot?«
»Ich auch.«
Mrs Oliver war aufrichtig froh, dass er nicht um Sirop de Cassis oder eines seiner geliebten Fruchtsaftgetränke gebeten hatte. Sie brachte Gläser und eine Karaffe.
»Ich habe Monsieur Poirot bereits in groben Zügen die Nachforschungen, die Sie wünschen, angedeutet.«
»Ach ja!«, sagte Mrs Burton-Cox. Sie schien ziemlich im Zweifel und nicht so selbstsicher wie sonst zu sein.
»Heutzutage«, sagte sie zu Poirot, »sind die jungen Leute so schwierig. Mein Sohn ist ein so lieber Junge; wir haben große Hoffnungen auf ihn gesetzt. Und dann dieses Mädchen, ganz reizend. Sicher sagte Mrs Oliver Ihnen, dass sie ihre Patentochter ist… tja, man kann nie wissen. Ich meine, solche Freundschaften entstehen plötzlich und dauern oft nicht lange. Früher, in meiner Jugend, haben wir so was Kälberliebe genannt, wissen Sie. Aber es ist doch sehr wichtig, dass man ein klein wenig über die Leute Bescheid weiß, über die Familie und so weiter. Natürlich weiß ich, dass Celia aus sehr guter Familie kommt, aber trotzdem, da war diese tragische Geschichte. Zwei Selbstmorde, glaube ich, aber niemand konnte mir bisher klar sagen, was dazu führte. Ich habe keine Freunde, die auch mit den Ravenscrofts befreundet waren, und so ist es sehr schwierig, sich ein Bild zu machen. Selbstverständlich, Celia ist ein reizendes Mädchen, aber trotzdem, man möchte doch Genaues wissen.«
»Wie ich von meiner Freundin, Mrs Oliver, höre, möchten Sie etwas ganz Bestimmtes erfahren. Wer…«
»Mrs Burton-Cox«, mischte sich Mrs Oliver ziemlich bestimmt ein, »will wissen, ob Celias Vater ihre Mutter und dann sich selbst erschoss oder ob Celias Mutter ihren Mann umbrachte und sich anschließend erschoss.«
»Ich finde, das ist ein Unterschied«, sagte Mrs Burton-Cox. »Ein großer Unterschied.«
»Ein sehr interessanter Standpunkt«, meinte Poirot. Sein Ton klang nicht gerade ermutigend.
»Der emotionelle Hintergrund interessiert mich, die Gefühle, die mitspielten. In einer Ehe, das müssen Sie zugeben, muss man an die Kinder denken. Ich meine die Vererbung. Heute weiß man doch, dass die Vererbung eine größere Rolle spielt als die Umwelt. Sie beeinflusst die Charakterbildung und bestimmt eventuelle Risiken, die man vielleicht nicht auf sich nehmen möchte.«
»Sehr wahr«, sagte Poirot. »Die Leute, die solche Risiken auf sich nehmen, müssen das auch entscheiden. Ihr Sohn und diese junge Dame – es ist ihre Entscheidung.«
»Ich weiß, ich weiß. Nicht die meine. Eltern sollen sich nicht einmischen, nicht wahr, nicht einmal einen Rat geben. Aber ich möchte eben Genaueres erfahren, jawohl, ich möchte Bescheid wissen. Ob Sie wohl eine Untersuchung – so heißt das, glaube ich – durchführen könnten? Aber möglicherweise bin ich eine sehr dumme Mutter, übermäßig um meinen Sohn besorgt. Mütter sind eben so.«
Sie neigte den Kopf etwas auf die Seite und gab ein kleines wieherndes Lachen von sich.
»Vielleicht«, sagte sie und leerte das Sherryglas, »vielleicht wollen Sie es sich noch überlegen, und auch ich überlege es mir noch. Man müsste die genauen Fragen und Details, um die ich mir Sorgen mache, besprechen.«
Sie sah auf ihre Uhr.
»Ach, du meine Güte! Ich habe noch eine Verabredung. Ich muss gehen. Es tut mir so leid, liebe Mrs Oliver, dass ich gleich wieder weglaufe, aber Sie wissen ja, wie das ist. Ich hatte heute Nachmittag die größten
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