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Elegie - Fluch der Götter

Elegie - Fluch der Götter

Titel: Elegie - Fluch der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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seufzen. »Er kommt, Tanaros Schwarzschwert. Sie alle kommen – die kleinen Marionetten meines älteren Bruders.«
    »Herr?«
    »Sie kommen immer, und sie sind immer gekommen, schon lange
bevor die Welt gespalten wurde, schon lange bevor es eine Welt gab, auf der man von der Spaltung träumen konnte. Ich habe es immer gewusst. Nur der Zeitpunkt war ungewiss, selbst hier und jetzt ist er es noch. Aber sie sind im Irrtum, wenn sie glauben, dass dies das Ende ist. Diesmal oder ein anderes Mal. Es gibt kein Ende, außer im Anfang. Selbst der Gedankenfürst kann dieses Muster nicht verändern. « Der Schöpfer kam näher; Wellen der Macht gingen von ihm aus. »Neugieriger kleiner Rabe«, sagte er zu Bring. »Wessen Gedanken hast du gedacht?«
    Bring kicherte.
    »Ah.« Lange schwiegen sie. Der dunkle Geist eines Lächelns legte sich über das zerstörte Gesicht des Fürsten Satoris. »Danke, treuer Tanaros, dass du mir diesen kleinen Gast mitgebracht hast.« Er neigte das Haupt. »Danke für diese kleine Freundlichkeit.«
    »Mein Fürst?«, wiederholte Tanaros verwirrt und ängstlich besorgt, der Fürst könnte nun doch dem Wahnsinn anheimgefallen sein.
    »Er kommt und fliegt wieder davon, Heerführer, und das ist der Weg aller Dinge.« Der Schöpfer hob die Hand und bedeutete ihm mit einer knappen Geste, Tanaros möge ihn verlassen. »Du kannst jetzt gehen.«
    »Was ist mit dem Träger, mein Fürst?«
    »Malthus’ Zauber verbirgt ihn sogar vor dem Auge der Souma.« Fürst Satoris schüttelte den Kopf. »Es gibt nichts, das ich tun könnte. Soll ich dir sagen, was du zu tun hast, Schwarzschwert? Verdopple die Patrouillen in den Tunneln von hier bis zu der Stelle, wo sie blockiert sind.«
    »Mein Fürst.« Tanaros verneigte sich vorsichtig, damit Bring nicht von seiner Schulter fiel, und verließ den Fürsten.
    Sobald er wieder an der Oberfläche war, begab er sich zum großen Eingang, wo ihn die Wächter durch die hohe Tür eintreten ließen. Es war wieder einmal eine klare, kalte Nacht. Als er im Hof stand, setzte er sich Bring auf den Unterarm, stand eine Weile da und dachte an die herannahende Armee, an ein geflochtenes Seilstück, an das Gesicht des alten Ngurra unter dem Schatten seines Schwertes
und an den dunkelhäutigen Jungen, den er in den Bahnen gesehen hatte, sowie an dessen fragenden Blick. Er dachte an Cerelinde in ihren Gemächern, die um ihre Errettung betete, an die seltsame Stimmung des Fürsten und an Bring.
    »Wessen Gedanken hast du mitgeteilt?«, fragte er den Raben und streichelte ihn dabei mit einem Finger. Bring senkte den Kopf und trat von einem Bein auf das andere. »Was ist mit dir passiert, bevor du mich in der Wüste gefunden hast?«
    Einen Augenblick lang sah Tanaros sich selbst noch einmal durch die Augen des Raben: eine starre, edle Gestalt mit unruhigen Augen, eingebettet in dunkle Leidenschaften, die wie finsteres Feuer um die Räder seines Selbst flackerten – ein Verhängnis, das er wie glühende Kohlen in seinen hohlen Händen trug. Versengte Hände und ein versengtes Herz, zur Zärtlichkeit oder Gewalt fähig, und hinter ihm die endlos fallenden Sterne, lieblich und sterbend.
    Irgendwo brüllte ein Drache.
    »So sei es«, flüsterte Tanaros. »Geh, kleiner Bruder, und suche Schutz vor dem aufziehenden Sturm.« Er hob den Arm und sah zu, wie der Rabe in die Luft stieg; seine schwarzen Flügel glänzten im Sternenlicht. »Auf Wiedersehen, Bring.«
    Eine kleine Freundlichkeit.
    Seine Augen schmerzten. Als er sie berührte, stellte er fest, dass sie nass vor Tränen waren. Hyrgolf hatte recht; er würde sich besser fühlen, sobald er mitten im Schlachtengetümmel steckte. Tanaros riss sich zusammen und ging fort, um Speros zu wecken und ihm neue Befehle zu geben.
     
    Vor Anbruch der Morgendämmerung saß Malthus, der Weise Gesandte, schweigend auf einem schmalen Klappstuhl in einer Ecke von Altorus Aracus’ Zelt und beobachtete, wie sein Schüler, den er so viele Jahre unterrichtet hatte, in dem engen Raum auf und ab lief; er war ruhelos und konnte keinen Schlaf finden.
    »Heraus damit«, sagte er schließlich. »Du kannst es dir nicht leisten, müde in die Schlacht zu reiten, Aracus.«
    Aracus’ Blick fiel, wie schon so oft in dieser Nacht, auf die Truhe,
in welcher der Turmalin ruhte, durch den sie mit dem Träger verbunden waren, der das Wasser des Lebens mit sich führte. »Es war schwächer«, sagte er. »Nicht viel, aber doch ein bisschen. Die anderen haben es nicht bemerkt,

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