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Elegie - Fluch der Götter

Elegie - Fluch der Götter

Titel: Elegie - Fluch der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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schwache, aufsteigende Geruch, den das Wasser des Lebens verströmte.
    Seine Stimme schwankte, doch dann sang er weiter. Es gab keinen anderen Fluchtweg. Mit einer raschen Geste steckte er das Ende des Seils in den kalten Boden und spürte, wie die Ranken sich verwurzelten und Schösslinge durch die dunkle Erde trieben. Die geflochtenen Halme wurden immer länger, wanden sich umeinander und zuckten wie Schlangen in seinen Händen. Vorsichtig zog er daran. Das Seil hatte feste Wurzeln geschlagen.
    »Es wird uns niemals halten«, sagte Onkel Thulu geradeheraus.
    »Doch, das wird es«, entgegnete Dani. »Es muss.«
    Er entfernte das Gras über dem Schacht und kletterte hinein, ohne seinen Onkel gefragt zu haben, ob er den Vortritt haben wolle. Das Seil fühlte sich kräftig an, und er hörte das trockene Rascheln der weiter wachsenden Halme im Schacht.
    Zoll für Zoll ließ sich Dani hinunter in die Finsternis.
    Dieser Luftschacht war enger als der vorherige. Seine Ellbogen schabten an den Wänden entlang, und er hoffte, dass Onkel Thulu hindurchpassen würde. Er empfand Erleichterung, als er den Schacht hinter sich gelassen hatte und in der leeren Dunkelheit hing. So schnell wie möglich kletterte er weiter hinunter, ohne auf seine schmerzende Schulter zu achten. Obwohl er vorhin versichert hatte, dass das Seil lang genug war, hatte er Angst, es könnte doch zu kurz sein.
    Es war nicht zu kurz.
    »Onkel!«, rief er. »Beeil dich!«
    Das schwache Licht, das durch den Schacht nach unten fiel,
verschwand, als Thulus Körper sich darin befand. Gedämpfte kratzende und klopfende Laute ertönten, begleitet von einem Strom von Yarru-Schimpfworten. Dani packte das Seil, damit es nicht hin und her schwankte, und das Herz schlug ihm bis zum Hals, bis er endlich wieder das Tageslicht sah und die geschundene Gestalt seines Onkels in der Tunnelöffnung auftauchte. Mit gefährlicher Geschwindigkeit kletterte er herunter.
    Endlich hatte er den Boden erreicht. Auf seinem dunklen Gesicht lag ein breites Grinsen. »Ich glaub, ich hab meine halbe Haut an diesen verdammten Wänden hängen lassen,Junge!«
    »Haben sie uns gesehen?«, fragte Dani besorgt.
    Thulu schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Bei Uru-Alat, Junge! Du warst so schnell wie ein Kaninchen. War gar nicht einfach, dir zu folgen.« Er klopfte Dani auf die Schulter. »Gut gemacht, Träger.«
    »Ich bin froh, dass du sicher hier angekommen bist.« Er umarmte Thulu, schlang beide Arme um den festen, warmen Körper seines Onkels und spürte, wie die Umarmung erwidert wurde. Einen Augenblick lang war die Welt ein vertrauter Ort, sicher und freundlich gesonnen.
    »Ich auch, Dani.« Thulus Atem blies ihm durch die Haare. »Ich auch.« Er drückte Danis Arme und ließ ihn dann los. »Es ist dir klar, dass es jetzt noch schwieriger wird, nicht wahr?« Er machte ein ernstes Gesicht. »Wir haben die Fackeln in dem anderen Tunnelabschnitt zurückgelassen. Noch ein Dutzend Schritte, und wir reisen blind. Außerdem kenne ich den Weg nicht und habe keine Ahnung, welche Abzweigungen vor uns liegen.«
    »Ich weiß. Und ich habe Angst deswegen. Aber du bist mein Führer, und ich vertraue mich dir an.« Dani lachte leise und strich mit den Fingern über das geflochtene Seil aus Gras, das neben ihm herunterhing. »Von Anfang an bin ich blind gereist, Onkel. Erst jetzt sehe ich allmählich etwas – wenn auch nur wenig.«
    Das geflochtene Seil erzitterte unter seiner Berührung. Es schwand dahin; die austrocknenden Halme knisterten, als sie sich wieder zu ihrer gewöhnlichen Länge zusammenzogen. Sie hatten
nicht genug vom Wasser des Lebens bekommen, um dieses unnatürliche Wachstum aufrechtzuerhalten, nicht unter dem Atem des herannahenden Winters. Dani ließ es los, und die Yarru sahen zu, wie es schrumpfte und sich nach oben in den Schacht zurückzog.
    Dort hing es nun brüchig und nutzlos. Aus dieser Richtung würde kein Verfolger kommen – und in diese Richtung würde es kein Entkommen mehr geben.
    Thulu erbebte. »Ich hätte nie geglaubt, dass es hält!«
    »Ja.« Dani umfasste die Flasche an seinem Hals und überprüfte, ob der Korken fest und sicher saß. »Aber es hat gehalten.« Er reckte die Schultern unter der Bürde der Verantwortung, die er als der Träger auf sich geladen hatte, und wandte das Gesicht in Richtung des Unbekannten. »Komm, wir gehen.«
    Gemeinsam schritten sie in die undurchdringliche Finsternis.
     
    Sie kamen.
    In der wirbelnden, glänzenden Dunkelheit,

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