Elegie - Fluch der Götter
aber nicht alles war fortgetragen worden. Sie fielen über die Reste her, rissen mit gebrochenen und gesplitterten Nägeln das Sackleinen auf, das um einen Käse gewickelt war, und nagten an rohen Knollen,
weil sie Feuchtigkeit enthielten. Mit den Überresten stopften sie sich ihr Gepäck voll. Nur die Weinfässer rührten sie nicht an, denn sie befürchteten, dass es sie verraten könnte, wenn sie eines aufbrachen.
Erst nachdem sie ihren Hunger und den schlimmsten Durst gestillt hatten, wagten sie es, aus dem Schlund der Höhle hinaus auf das Tal von Gorgantum zu schauen.
»Bei Uru-Alat!« Dani fühlte sich elend. » Das ist Finsterflucht?«
Seine Ausdehnung war unglaublich. Soweit das Auge reichte, war das Tal von einer gewaltigen, durch Wachttürme unterbrochenen Mauer umgeben. Sie verschwand irgendwo hinter ihnen, wurde vom Hang verborgen, trat dann wieder hervor und schloss einen kleinen Wald aus verkrüppelten Bäumen ein. Ein breiter, ausgetretener Pfad führte von der Vorratshöhle zum Hintertor der eigentlichen Festung. Sie war riesig, unglaublich riesig, ein hoch aufgetürmtes Gebäude, das einen großen Teil des Nachthimmels verfinsterte. Hier und da glitzerte Sternenlicht auf einer polierten Rüstung; es waren Fjeltrolle, die an den Toren patrouillierten.
»Ja«, sagte Onkel Thulu. »Ich glaube nicht, dass man uns einfach so hereinlässt. Hast du eine Idee, Junge?«
Dani schaute über das Tal. Er erkannte den Gorgantus am Glanz seines verdorbenen Wassers. Weitere kleinere Gebäude säumten ihn und wurden von seinem schmutzigen Glitzern erhellt. Ein dicker und beißender Rauch hing in der Luft. »Was ist das?«
»Schmieden, vermute ich. Dort werden Waffen und Rüstungen hergestellt.«
»Glaubst du, sie werden auch nachts bewacht?«
»Schwer zu sagen.« Thulu schüttelte den Kopf. »Sie sind gerade nicht in Betrieb, denn sonst würden wir das Hämmern hören. Aber die Feuer brennen noch, und sie sind bestimmt nicht unbeaufsichtigt. Es ist ein langer Weg dorthin, und auch auf der Mauer stehen Wachen.«
»Ja, aber sie schauen nach draußen und nicht nach drinnen. Wenn wir keinen Laut von uns geben, uns langsam bewegen und im Schatten halten, werden sie uns nicht bemerken. Zumindest würde es uns
näher an unser Ziel heranbringen.« Dani betrachtete die Festung eingehend. Höhnisch und mächtig erhob sich Finsterflucht vor ihnen und schien uneinnehmbar zu sein. Er wünschte sich, er wüsste mehr über solche Gebäude. »Es gibt doch bestimmt irgendwo noch einen Eingang, oder?«
»Ich weiß es nicht.« Onkel Thulu legte Dani die Hand auf die Schulter. »Aber um ehrlich zu sein, habe ich auch keine bessere Idee. Diesmal musst du entscheiden, Junge.«
Dani nickte und ergriff zur Beruhigung das Tonfläschchen um seinen Hals. »Wir können nicht für immer hierbleiben. Also sollten wir es versuchen. Wir schlagen uns zum Fluss durch und folgen ihm.«
Es war eine nervenaufreibende Wegstrecke. Sie traten aus dem Schlund der Höhle hervor, verließen den breiten Pfad und kletterten dort den Hang hinunter, wo die Schatten am dichtesten waren. Beide bewegten sich langsam und mit unendlicher Vorsicht. Ein Ausrutscher, ein losgetretener Kiesel, und die Fjel würden herbeikommen.
Zumindest hatten all ihre bisherigen Mühen sie auf diesen Augenblick gut vorbereitet. Die inneren Hänge des Gorgantus-Gebirges waren sanfter als die unbezwingbaren Felsmassen auf der anderen Seite und nicht schwieriger zu durchwandern als die Berge in den nördlichen Reichen. Auf dem Felssturz im Tunnel hatten sie gelernt, wie sie ihre Schritte mit der größtmöglichen Vorsicht wählen mussten, und wie wenig Druck nötig war, einen lockeren Stein loszutreten. Durch ihre Zeit in den Tunneln konnten sie in der Nacht ausgezeichnet sehen.
Sobald sie den Talgrund erreicht hatten, wurde der Weg leichter. Auf der Anhöhe rechts von ihnen sahen sie einen Teil der gewundenen Mauer. Ferne Fackeln brannten in den Wachttürmen. Dani zeigte schweigend auf den Wald. Ganz langsam umrundeten sie den Fuß des Hügels. Von Zeit zu Zeit drangen die tiefen Laute der Fjel zu ihnen herüber.
Der Wald war unheimlich, doch die knorrigen Bäume würden ihnen Schutz gewähren und die Möglichkeit verschaffen, den Schatten der Mauer zu verlassen. Dani stieß einen kaum hörbaren Seufzer
der Erleichterung aus, als sie den Waldrand erreicht hatten. Verfilzte Zweige ohne jedes Blatt hießen sie willkommen. Er schlüpfte in ihren Schatten, trat auf den
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