Elegie - Fluch der Götter
gefrorenen Rindenmulch und zog eine Grimasse, als dieser schwach unter seinen Füßen knackte.
Onkel Thulu packte ihn am Arm und streckte den Zeigefinger aus.
Dani erstarrte und kniff die Augen zusammen.
Dort, ein wenig tiefer im Wald, befand sich ein struppiges Nest. Es gab noch andere hier — viele andere. Er dachte an die dunkle Wolke, die über der Ebene in ihre Richtung geflogen und so gewaltig gewesen war, dass sie einen riesigen Schatten geworfen hatte, und das Herz schlug ihm bis zum Hals.
Onkel Thulu deutete nach links.
Sie konnten in keine andere Richtung gehen. Schritt für Schritt umrundeten sie den Wald. Es kam darauf an, besonders behutsam zu gehen und so sachte aufzutreten, dass die Wärme ihrer bloßen Fußsohlen den Raureif schmolz, damit er nicht knirschen konnte. Es schien ewig zu dauern, und bei jedem Schritt fürchtete Dani, der Wald könnte lebendig werden. Er stellte sich ein Paar perlenartige Augen in jedem einzelnen Schatten vor, einen glänzend schwarzen Flügel in jedem Glimmen des Sternenlichts auf einem reifüberzogenen Ast. Ängstlich behielt er den Himmel im Blick und fürchtete sich vor dem Anblick des herannahenden blassen Morgenlichts.
Es schien Stunden zu dauern, bis sie so weit gegangen waren, dass sich der Wald nun zwischen ihnen und der Mauer befand. Sie wichen von den Bäumen und der Gefahr durch die schlafenden Raben und die wachenden Fjeltrolle zurück und begaben sich zum Fluss.
Hier lag offenes, unbewachtes Gelände. Sie durchquerten es so schnell, wie sie es wagten. Der Gorgantus schnitt eine unnatürliche, breite Schneise durch das Tal. Früher war er in südlicher Richtung durch die Verderbte Schlucht geflossen, wo heute nur noch ein Rinnsal übrig geblieben war. Fürst Satoris hatte ihn zu seinen Zwecken umgeleitet, doch nun floss er langsam und träge und schien darüber verärgert zu sein, dass er nach unzähligen Jahrhunderten seines natürlichen Laufes beraubt worden war.
Und er schien noch aus anderen Gründen wütend zu sein.
Sie hockten sich am Ufer nieder und schauten ins Wasser. Im Sternenlicht wirkte es schwarz und bewegte sich in gemächlichen Strömungen; es war so dick wie Öl. Ein salzig-süßer und kupferiger Geruch stieg von ihm auf.
»Glaubst du, wir können es trinken?«, flüsterte Dani.
Onkel Thulu leckte sich über die ausgedörrten Lippen. »Also, ich würd’s nicht tun.« Er warf Dani einen raschen Blick zu. »Meinst du, wir sollten durch diesen Morast waten, Junge?«
»Ja.« Er berührte das Tonfläschchen und riss sich zusammen. »Die Ufer werden uns Schutz geben.«
»Dann sei es so.« Thulu glitt das Ufer hinunter.
Dani folgte ihm und landete hüfttief in dem verdorbenen Wasser. Kalter Schlamm quoll zwischen seinen Zehen hindurch. Hier waren sie wenigstens unsichtbar für alle Wachtposten, denn sie stellten nur noch eine kleine Verwirbelung auf der öligen Oberfläche des Flusses dar. Mit gesenkten Köpfen und zitternd unter der Kälte des Wassers machten sie sich auf den Weg flussabwärts. Trotz all ihrer Vorsicht rutschten sie immer wieder aus, bis sie ganz nass, mit Schlamm beschmiert und schmuddelig waren, und all ihre Vorräte waren durch das kranke Wasser verdorben.
Tatsächlich wurde der Himmel allmählich heller, als sie die Gebäude erreicht hatten, in denen die Schmieden untergebracht waren. Die Morgendämmerung hatte noch nicht eingesetzt, aber das Licht der Sterne wurde schwächer, und die ungemilderte Schwärze zwischen ihnen verwandelte sich in die Farbe von Kohlen. Doch auch andere Hindernisse zwangen sie zum Anhalten. Vor ihnen bewegte sich auf dem Fluss ein seltsames Gebilde. Es war ein mächtiges Rad, das sich andauernd drehte, und Wasser strömte von seinen breiten Paddeln. Dahinter befand sich eine Ansammlung niedriger Gebäude; es handelte sich um Schmelzöfen und Schmieden sowie eine windschiefe Hütte, die in großer Hast errichtet worden zu sein schien. Trotzdem war dies der Ort, an dem die meiste Aktivität herrschte. Rauch stieg empor, und undeutlich zu erkennende Gestalten bewegten sich darin hin und her.
Zum ersten Mal, seit sie die Tunnel verlassen hatten, empfand Dani Verzweiflung.
»Was ist das deiner Meinung nach?«, flüsterte Thulu und stützte sich am schlammigen Flussufer ab. Er schnupperte. »Es riecht wie … wie eine Mahlzeit !«
»Ich weiß nicht«, murmelte Dani. Unter großer Anstrengung zwang er sich dazu, nicht mehr mit den Zähnen zu klappern, und betrachtete die Gebäude. Das
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