Elegie - Fluch der Götter
drehte sich um und sah Uschahin Traumspinner, dessen verschiedenfarbige Augen fiebrig hell glänzten. »Es liegt Wahnsinn in dieser Aufforderung.«
»Wahnsinn, ja«, bestätigte Tanaros ruhig. »Wahnsinn, den Helm aufs Spiel zu setzen; Wahnsinn auch für Malthus, eine Waffe aufzugeben, die von Haomane geschaffen wurde, während Uschahin-der-zwischen-Morgen-und-Abenddämmerung-umgeht unterwegs ist.«
Das Halbblut erzitterte. »Ich weiß es nicht, Vorax’ Tod …«
»… schreit nach Rache. Wir sollten sie ihm verschaffen.« Tanaros streckte die Hände aus, um seinen Helm loszubinden. Selbst durch die Panzerung hindurch schmerzten sie bei der Berührung. Hinter ihm ertönte das kehlige Gemurmel der Tungskulder-Fjel. »Was sagst du, Gesandter?«
Malthus packte den Speer des Lichts fester. Mit einer plötzlichen Bewegung rammte er die Waffe in die Erde. »Zieh den Helm aus und leg ihn auf den Boden, Königsmörder«, sagte er mit seiner ruhigen, tiefen Stimme. »Dann werde ich den Schaft loslassen und dieses Abkommen achten, wenn es denn dein Wille ist.«
Ein Abkommen war die rechte Art, den Tod des Vorax von Stakkia zu rächen. Tanaros sah sich kurz um. Die Nachricht von diesem Zweikampf hatte sich rasch verbreitet, und Stille hatte eingesetzt. Überall auf der Ebene hielten die müden Kämpfer inne und warteten ab. Einige von Haomanes Verbündeten nutzten diese Ruhepause, um die Verwundeten vom Feld zu ziehen. Hinter der Front eilten Gestalten herbei und halfen ihnen. Die stämmigen Zwerge trugen Menschen weg, die doppelt so groß wie sie selbst waren. Die Toten lagen reglos da, und ihr Blut sickerte ins hohe Gras. Von ihnen gab es viele an der linken Flanke; sie steckten in stakkianischen Rüstungen.
Es gab keine verwundeten Fjel, um die man sich hätte kümmern müssen. Verletzte Fjel kämpften so lange, bis kein Leben mehr in ihnen war. Bei ihnen gab es nur Lebende und Tote.
»Marschall Hyrgolf«, sagte Tanaros, »befiehl den Nåltannen, sich neu zu formieren, und bring die zweite Gulnagel-Schwadron in Position, damit sie die Vedasianer stören können. Sag ihnen, sie sollen auf deine Befehle warten. Gib keine, solange du nicht provoziert wirst.«
»Ja, Heerführer!« Hyrgolf salutierte.
Tanaros lächelte ihn an. »Wenn ich diesen Helm abgelegt habe, will ich, dass deine Tungskulder-Jungs ihn beschützen, als hinge ihr eigenes Leben davon ab. Wenn ihm einer von Haomanes Verbündeten zu nahe kommt, tötet ihr ihn ohne Zögern und Gnade. Ist das klar?«
Hyrgolf entblößte seine Augenzähne in einem breiten Grinsen. »Ja, Heerführer!«
»Gut.« Tanaros verneigte sich spöttisch vor Blaise Caveros. »Sollen wir uns wie richtige Männer schlagen, von Angesicht zu Angesicht und zu Fuß? So haben es die Menschen auf den Turnierplätzen zu Altoria gemacht, bevor ich sie in Schutt und Asche gelegt habe.«
Röte stieg in die Wangen des Grenzwächters. Mit einem Fluch stieg er ab und warf den Kopf zurück. »Dann kommt und kämpft mit mir!«
Tanaros steckte sein Schwert in die Scheide und saß ab. Sofort traten sechs Tungskulder vor und umgaben ihn. Vorsichtig hob er den Schattenhelm vom Kopf. Er blinzelte unter der plötzlichen Helle, und sofort waren die Phantomschmerzen in seiner Lende und das Brennen in seinen Handflächen verschwunden. Der Weise Gesandte saß auf seinem gischtweißen Pferd und sah ihm zu. Noch immer hielt er die Hand um den Schaft des Lichtspeers geschlossen.
»Was hast du mit meinem Pferd gemacht, Malthus?«, rief Tanaros ihm zu.
»Alles ist veränderbar«, antwortete Malthus. »Sogar du, Königsmörder. «
»Und auch du, Gesandter, denn wir sind Geringere Schöpfer, oder etwa nicht? Wandel ist die Wahl, die wir getroffen haben.« Tanaros bückte sich und legte den Helm auf das niedergetrampelte Gras. »Aber ich glaube nicht, dass du meinem Pferd die Wahl gelassen hast.«
Einen Augenblick lang empfand er Furcht, als er sich wieder auf richtete. Wenn Haomanes Verbündete das Abkommen brechen wollten, dann war nun der geeignete Zeitpunkt dazu. Aber nein, Malthus hielt sein Wort und ließ den Speer des Lichts los. Leuchtend und vollkommen unberührt steckte er inmitten des Halbkreises, den Haomanes Verbündete gebildet hatten, im Boden. Die Augenschlitze des Schattenhelms schauten vom Boden hoch; sie waren dunkel vor Schmerz und Grauen. Hinter den Tungskuldern nickte Uschahin ihm kurz zu; sein verzerrtes Gesicht war erfüllt von kranker Entschlossenheit.
»So.« Tanaros trat zurück.
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