Elegie - Fluch der Götter
versteckte, würden die Irrlinge sie finden. Bei diesem Gedanken hellte sich Mearas Laune wieder auf. Sie konnten sich nirgendwo in Finsterflucht verbergen, ohne dass die Irrlinge sie aufspürten. Sie hatte ihr Lächeln wiedergefunden, als die Hohe Frau die Tür öffnete.
Plötzlich fühlte sich Meara gar nicht mehr stolz.
Die Hohe Frau Cerelinde warf einen Blick auf das silberne Geschirr und die Überreste ihres Mahls, das auf dem schimmernden Marmorboden des Korridors verteilt lag. »Meara, was ist hier vorgefallen? «
»Gefahr, Herrin.« Sie zog den Kopf ein und murmelte: »Fremde Männer. Die Fjel werden sie finden.«
»Was für Männer?« Die Stimme der Hohen Frau wurde immer lauter, während Meara schwieg. Sie war nicht harsch, nein, sie konnte niemals harsch sein, aber in ihrem Tonfall lag etwas, das so scharf und hell wie eine Schwertklinge war. »Meara, was für Männer?«
»Aus dem Versengten Volk«, flüsterte Meara und hob den Kopf.
Die Hohe Frau Cerelinde sog vernehmbar die Luft ein, und etwas in ihrem Gesichtsausdruck änderte sich. Es war nichts, was Meara verstanden hätte, und doch wurde sie Zeugin dieses Vorgangs. »Die Unbekannte Wüste!« Die schmalen Finger der Hohen Frau ergriffen Mearas Arm unerwartet fest. »Komm herein.«
Meara folgte ihr hilflos und gehorsam. Hinter der verschlossenen Tür legte die Hohe Frau ihre Hände auf Mearas Schultern. Es war so, wie sie es sich vorhin vorgestellt hatte, aber es war falsch — vollkommen falsch. Kein Heerführer Tanaros, kein wärmender Stolz. Nur die Hohe Frau Cerelinde, deren Miene äußerste Dringlichkeit ausdrückte. Die Welt schien zu schwanken, während sie sprach. »Erzähle mir von diesen Männern. Hatten sie irgendetwas dabei, das du bemerkt hast? Wasserschläuche? Gefäße?«
Meara starrte sie mit offenem Mund an. »Nein, Herrin! Es waren einfach nur Männer — schmutzige Männer.«
Die Miene der Hohen Frau veränderte sich abermals, als die Hoffnung daraus wich; es war, als hätte jemand alle Lampen im Raum gelöscht. »Danke, Meara«, sagte sie und ließ die Irrlingsfrau los.
»Ich werde mich um Euer Essen kümmern, Herrin«, sagte Meara demütig. Alles war wieder normal; die Welt schwankte nicht mehr, und doch schien es, als ob etwas höchst Kostbares verloren gegangen wäre. »Der Jüngere hatte ein kleines Fläschchen, Herrin. Aus Ton, es hing ihm um den Hals.«
Es entstand eine lange Pause, eine Pause aus vorsichtiger Hoffnung. »Bist du dir dessen sicher, Meara?«
Sie nickte und fühlte sich elend. Sie hätte nichts sagen sollen.
Die Welt drehte sich wie verrückt, als die Hoffnung wie mit einem Lichtblitz zurückkehrte. Helligkeit lag im Raum, Helligkeit lag auf dem Gesicht der Hohen Frau Cerelinde. Sie sagte etwas, es waren weitere Worte, die wie Schwerter klangen, hell und schrecklich, und Meara wünschte sich, die schwarze Grube würde sich auftun, das Geplapper in ihrem Kopf würde einsetzen und die Worte ersticken, die sie nicht hören wollte. Alles, alles war gut, solange es nur diesen schrecklichen Vorwurf erstickte. Aber keine schwarze Grube öffnete sich, und kein Stimmengewirr setzte ein. Die Stimmen in ihr waren still, schwiegen in dem ungeheuren Glanz der Hohen Frau.
»… musst sie finden, Meara. Such sie und finde sie und versteck sie vor den Häschern des Weltenspalters! Gib ihnen alles an Hilfe, was dir möglich ist, denn wenn ich mich nicht fürchterlich irre, dann ruht das Schicksal der gesamten Welt jetzt auf deinen Schultern.« Sie bückte sich und sah Meara in die Augen. »Verstehst du das?«
Meara befreite ihre Zunge vom Gaumen und flüsterte: »Nein.«
»Ich spreche von der Heilung der Welt«, sagte die Hohe Frau Cerelinde ernst. Sie berührte Meara, nahm den Kopf der Irrlingsfrau zwischen ihre schönen weißen Hände. »Von der Heilung der ganzen Welt, Meara, von Urulat und allen Wesen, die auf Urulat leben. Auch von dir. All das, was hätte sein können, wird jetzt vielleicht Wirklichkeit. «
Feuer, kühles Feuer. Warum hatte Haomane seine Kinder so erhaben geschaffen? Kein Wunder, dass sich Tanaros nach ihr verzehrte. Ja, das tat er, Meara wusste es genau. Ich habe ihm gesagt, Ihr würdet uns das Herz brechen . Sie spürte, wie Tränen in ihre Augen stiegen. Sie war hässlich, keineswegs zauberhaft, eine schmutzige Irrlingsfrau, mehr nicht. Sie wollte sich die Augen wischen, wollte vor der schrecklichen Last davonlaufen, die ihr der strahlende Blick der Hohen Frau aufbürdete.
»Ich kann
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