Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elegie - Fluch der Götter

Elegie - Fluch der Götter

Titel: Elegie - Fluch der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
Vom Netzwerk:
sich nicht die Mühe gemacht hatten, den Sattel abzunehmen; offenbar hatten sie Angst gehabt, das Tier könnte sie dabei beißen. Speros schlich sich heran. »Sei lieb, meine Schöne«, murmelte er sanft und einschmeichelnd. »Wenn du den Fürsten liebst, dann sei einmal in deinem Leben umgänglich.«
    Das Pferd richtete die Ohren auf. Mit zwei raschen Griffen hatte Speros den Pfosten aus der Erde gezogen. Geist wurde schon unruhig, als Speros seine Mähne ergriff und sich in den Sattel schwang.
    Sie waren bereits zehn Schritte vom Lager entfernt, als der Alarmruf ertönte. Speros lachte und schmiegte sich eng an Geists graues Fell. Er spürte, wie sich die Muskeln unter ihm bewegten, als das Tier schneller wurde. Er reckte den Hals, die raue Mähne peitschte ihm ins Gesicht. Nun bemerkten Haomanes Verbündete die Flucht; sie brüllten und deuteten auf ihn. Zu spät. Geists Hufe donnerten durch das hohe Gras, die Vorderbeine griffen weit aus. Das Pferd beachtete den Pfahl nicht, den es hinter sich herzog.
    Der Wind trieb Speros die Tränen in die Augen. Er blinzelte sie fort und sah, wie die Nachhut von Haomanes Verbündeten ihre Aufmerksamkeit auf ihn richtete. Ein einsames Ellyl-Horn stieß ein laut widerhallendes, jammerndes Alarmsignal aus. Er lenkte Geist weit um den Feind herum, der noch immer die Verwundeten vom Schlachtfeld schleppte. Das hier war nicht der Angriff eines einzelnen Helden, denn er war schließlich kein Narr. Er wollte nur Heerführer Tanaros warnen. Irgendetwas stimmt ganz und gar nicht. Erlaubt mir, es zu untersuchen. Ich werde Euch nicht enttäuschen .
    Oder besser noch, er kehrte unmittelbar nach Finsterflucht zurück. Es gab keinen Grund, den Heerführer um Erlaubnis zu bitten. Es war besser, wenn er keine Zeit verlor. Falls es dem Träger tatsächlich gelungen sein sollte, in Finsterflucht einzudringen, dann gab es nur einen einzigen Ort, zu dem er gehen würde — zur Quelle des Feuermarks. Heerführer Tanaros bewunderte Speros’ Entschlusskraft; das hatte er ihm persönlich gesagt. Er würde dem Heerführer eine Botschaft schicken, damit er informiert war.
    Es wäre ein großes Wunder, wenn es Speros von Haimhault gelingen sollte, Haomanes Prophezeiung abzuwenden!
    Bei diesem Gedanken musste Speros lächeln. Er lächelte immer noch, als eine von Haomanes Verbündeten, die neben einem verwundeten arduanischen Bogenschützen kniete, aufsprang, ihren Bogen abnahm und einen Pfeil auflegte. Speros’ Lächeln wurde zu einem breiten Grinsen. Er glaubte, er befinde sich bereits nicht mehr innerhalb ihrer Reichweite.
    Auf alle Fälle war er zu weit von der Bogenschützin entfernt, um erkennen zu können, dass es sich bei ihr um Fianna handelte und der
Bogen in ihrer Hand aus schwarzem Horn bestand und wie Onyx glänzte. Es war nicht die Waffe einer Sterblichen, und ihre Reichweite unterlag nicht den Beschränkungen menschlicher Waffen.
    Das sirrende Geräusch von Oronins Bogen ertönte einmal, zweimal, dreimal.
    Speros spürte den Aufprall der Pfeile nicht, und er spürte auch nicht, wie die Zügel seinen gefühllos gewordenen Fingern entglitten. Er schlug hart auf den Boden, aber auch das spürte er nicht. Er blinzelte in den Himmel über ihm, der erfüllt von kreisenden Raben war. Er fragte sich, ob Bring, der sie in der Wüste gerettet hatte, unter ihnen war. Er versuchte aufzustehen und musste feststellen, dass ihm sein Körper nicht mehr gehorchte. Endlich verstand er, und eine große Traurigkeit überkam ihn.
    »Sagt ihm, dass ich es versucht habe«, flüsterte er den fernen Raben zu und schloss die Augen. Er öffnete sie nicht mehr. Nie mehr.
    Das graue Pferd wieherte und rannte reiterlos über die Ebene.
     
    Der Kampf erfüllte Tanaros mit schierer, mitleidloser Freude.
    Es lag eine Reinheit darin, die niemand verstehen konnte, der nicht für das Schlachtfeld geboren und erzogen worden war. Zwei Männer gegeneinander, Waffe gegen Waffe, Geschick gegen Geschick. Die Welt mit all ihren Lasten und Unverständlichkeiten war zu diesem Kreis ausgetretenen Grases geschrumpft.
    Natürlich würde er gewinnen. Der Ausgang stand außer Frage, hatte nie in Frage gestanden. Haomanes Verbündete waren Narren. Sie waren vom Schrecken, den der Schattenhelm verbreitete, so geblendet, dass sie die andere Waffe, die er trug, übersehen hatten: das schwarze Schwert, das im Feuermark geschmiedet und im Blut des Fürsten gehärtet worden war. Es schnitt durch Metall genauso leicht wie durch Fleisch, wenn

Weitere Kostenlose Bücher