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Elegie - Fluch der Götter

Elegie - Fluch der Götter

Titel: Elegie - Fluch der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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Der klare Soumanië auf seiner Brust erstrahlte, und alle Hörner der Riverlorn antworteten gleichzeitig und schallend. Gegen das silberne Triumphgeschmetter sang ein einzelnes Horn einen traurigen Diskant, und die Töne vermischten sich in einer schrecklichen Schönheit.
    Aus Finsterflucht kam nur Schweigen.
    Wenn der Schattenhelm zerbrochen ist …
    Tanaros wechselte einen raschen Blick mit Hyrgolf und sah dieselbe Erkenntnis im Blick des Marschalls. Er dachte an das grob gemeißelte Rhios in Hyrgolfs Höhle. Nicht schlecht für einen so kleinen Fratz, nicht wahr, Heerführer?
    Hyrgolf lächelte wehmütig und streckte die Hand aus. »Für die Ehre des Fürsten, Heerführer?«
    Tanaros ergriff seine Hand. »Für die Ehre des Fürsten.«
    Auf seinen Befehl griff die Armee von Finsterflucht an.
     
    Meronil war erfüllt vom Klang der fernen Hörner.
    Lilias von Beschtanag stand vor den hohen Fenstern ihrer Turmstube und öffnete sie weit, damit die frische Luft den Schall hereintrug. Den ganzen Tag hindurch ebbte er nicht ab.
    Viele Male hörte sie die schmetternde Angriffsfanfare und den unerschrockenen Ruf des Widerstands. Einmal ertönte kurz und strahlend ein Siegeston, doch es folgte Gegenwehr und ein Sammelruf, und sie wusste, dass die Schlacht noch nicht vorbei war.
    Aber jetzt hörte es sich anders an.
    Es klang nach Triumph, nach einem großen, von Freude widerhallenden Sieg, in den sich eine einzige Note der Trauer mischte.
Haomanes Verbündete hatten einen gewaltigen Sieg errungen und gleichzeitig einen schweren Verlust hinnehmen müssen.
    Lilias legte die Stirn gegen den Fensterrahmen und fragte sich, wer gestorben war.
    Sie war einmal eine Zauberin gewesen — die Zauberin des Ostens. Es war der Soumanië, der ihr die Macht gegeben hatte; die Kunst, ihn zu benutzen, hatte sie allein erlernt, angeleitet nur durch die lange und geduldige Unterweisung Calandors.
    Der Gefallene konnte nicht Aracus Altorus sein. Sicherlich hätte sie es aufgrund der schwachen Verbindung erfahren, die wegen des Soumanië, den er trug, noch immer zwischen ihnen bestand. Welchen Sieg hatten Haomanes Verbündete errungen, und zu welchem Preis?
    Das Verlangen, es zu wissen , durchdrang sie. Lilias ballte die Fäuste, hob den Kopf und schaute aus dem Fenster. Unter ihr floss der Aven gelassen und sorglos dahin. Um den Turm kreisten die Seeadler mit geneigten Schwingen und verspotteten die Zauberin durch ihre Freiheit. Lilias hasste sie, hasste ihr Gefängnis, hasste das sterbliche Gefängnis ihres Körpers, angekettet von der Fessel des Seins.
    Sie schloss die Augen und flüsterte Worte der Macht, Worte in der Ersten Sprache, der Sprache der Schöpfer, der Sprache der Drachen.
    Einen Herzschlag lang, einen beglückenden Herzschlag lang entkam ihr Geist dem Fleisch, an das er gebunden war. Kurz war sie sich des Soumanië bewusst — Ardraths Soumanië, ihres Soumanië –, der im Knauf von Aracus Altorus’ Schwert steckte, dessen Griff er nun fest gepackt hielt. Ganz kurz sah sie durch seine Augen.
    Blaise. Tot.
    Den Schattenhelm, zerbrochen.
    Und den Krieg, Gemetzel und Chaos und Tod, Menschen und Fjel und Ellylon in wirbelndem Kampf, und in der Mitte Tanaros Schwarzschwert, Tanaros Königsmörder, den Soldaten, der auf einem schwarzen Pferd gegen Aracus lospreschte. Seine schwarze Klinge tropfte von Blaises Blut — die Klinge, die Metall genauso leicht wie Fleisch durchschneiden konnte.

    Länger dauerte es nicht. Lilias’ Vision endete; sie krümmte sich auf dem Boden zusammen, erschöpft und elend, wieder gefangen in ihrem Fleisch und müde bis auf die Knochen. Erneut sah sie Blaise Caveros’ schlaffen, blutenden Körper, sie fühlte Aracus’ Entsetzen und Entschlossenheit sowie die verzweifelte Liebe, die ihn antrieb. Sie erinnerte sich daran, wie Blaise ihr befohlen hatte wegzuschauen, als sie an Calandors Überresten vorbeigekommen waren, und wie er den Pelmaranern verboten hatte, den Leichnam des Drachen zu entweihen. Und wie Aracus ihr Meronins Kinder auf dem Zwergenschiff gezeigt und sie wie seinesgleichen behandelt hatte.
    Es war schwer, sie wirklich zu hassen.
    »Calandor«, flüsterte sie. »Willst du mich nicht ein letztes Mal geleiten?«
    Es gab keine Antwort; es würde nie wieder eine Antwort geben. Nur das schwache und sanfte Echo ihrer Erinnerung. Alle Dinge müsssen so sein, wie sie sind, kleine Schwessster.
    Alle Dinge .
    Lilias erhob sich steif und unter Schmerzen. Die Hörner, die Hörner der Riverlorn

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