Elegie - Fluch der Götter
eigenen dahinschwindenden Selbst.
Der Gottestöter hing pulsierend im Feuermark.
Er reizte ihn. Er reizte ihn bis zum Wahnsinn, was ein grausamer Scherz war, denn er verlor diese Schlacht schon seit Jahrhunderten.
Einer der ersten Schläge war der härteste gewesen: Vorax von Stakkia, sein Gierschlund. Einer der Drei, tot. Oh, bei diesem Schlag hatte er aufgebrüllt. Die Macht, welche die Fessel des Seins so sehr gedehnt hatte, dass sie auch den Stakkianer umgab, war zerbrochen. Ah, wie er Vorax vermissen würde! Er hatte alles Gute und Schlechte von Arahilas Kindern in seiner Person vereint: vollkommen korrupt
und gleichzeitig seltsam treu. Einst, vor langer Zeit, hatte Vorax von Stakkia ihm sehr viel Freude bereitet.
Er würde ihn vermissen.
Er würde sie alle vermissen.
Ihr Leben, ihr kurzes Leben — Menschen und Fjel — verlöschte wie Kerzen. So war es, und so war es schon immer gewesen. Doch nie waren es so viele gleichzeitig gewesen. Viele von ihnen hatten seinen Namen geschrien, als sie starben. Es hatte ihn, der allein in der Finsternis saß, zum Lächeln gebracht, und gleichzeitig hatte er vor Wut mit den Zähnen geknirscht.
Der Gottestöter.
Er erinnerte sich an das Gefühl der Waffe in seiner Hand, als er sie vor unendlich langer Zeit mit auf das Schlachtfeld genommen hatte. Er war dahingeschritten, gekleidet in Schatten, hatte den Himmel verdüstert. Er hatte die Macht des Gottestöters gegen die Waffen Haomanes gestellt, gegen seine verderbten Gesandten mit ihren blutroten Souma-Kieseln. Damals hatte es noch keine Drei gegeben, sondern nur die Fjel, die gesegneten Fjel.
Und sie hatten triumphiert. Doch der Sieg war nicht unerwartet gewesen. Schon damals hatte er es ertragen müssen, seit langer, langer Zeit von der Souma getrennt zu leben, verwundet und blutend. Ein Ellyl-Schwert hatte ihn von hinten getroffen. Er hatte den Splitter fallen lassen. Wenn die Menschen der Mut nicht verlassen und ein Sohn des Altorus nicht zu früh zum Rückzug geblasen hätte …
Seine Hand griff nach dem Gottestöter. Er zwang sich dazu, sie zurückzuziehen.
Dies war das Einzige, das er nicht wagte, das er nicht tun durfte . Er war schwächer nun, viel schwächer als früher. Wenn er es wagte, wäre alles verloren. Der Gesandte würde den Gottestöter im Namen seines Bruders einfordern und Haomane würde die Welt nach seinem Abbild schaffen. Das war der einzige vernünftige Gedanke, an den er sich noch klammern konnte. Er erinnerte sich an das, was geschehen war. Die zersplitterte Souma. Oronins Gesicht, als er danach griff; der Splitter, der in seiner Faust glitzerte.
Ein Geschenk für seine Gabe.
Er hatte die Drachen gerufen, und sie waren gekommen. Ah, ihr Glanz! Alle Helligkeit der Welt, die den Himmel mit Feuerstößen und geflügelter Pracht erfüllte. Kein Wunder, dass Haomane die Welt gespalten hatte, um dem ein Ende zu bereiten. Aber zu welchem Preis! Welch schrecklich hohen Preis hatten sie alle für diesen vorübergehenden Frieden bezahlt.
Diesmal würden keine Drachen kommen.
Er wartete auf das, was stattdessen kommen würde.
Draußen wurde die Geschichte abermals erzählt und ein neues Ende geschrieben. Der Schattenhelm, den er damals für sich beansprucht und zu seinen eigenen Zwecken eingesetzt hatte, war zerbrochen. Der Soumanië des Gesandten strahlte hell und klar wie Wasser. Der Sohn des Altorus floh nicht, sondern schwang nun seinen eigenen blutroten Kiesel. Ein müder Junge trug eine schmierige Tonflasche in die Tiefen von Finsterflucht hinunter. Seine Getreuen, die ihm verbliebenen Häscher, bemühten sich verzweifelt, ihn aufzuhalten.
Er kam, sie kamen, sie alle kamen.
Es blieb ihm nichts anderes übrig als zu warten; zu warten und auszuharren. Vielleicht wurde am Ende doch noch alles gut. Er war müde. Er war der endlosen Schmerzen müde, und er war des Nachsinnens über den bitteren Verrat müde; er war es leid, die Bürde des Wissens zu tragen und zu sehen, wie die Welt sich veränderte, während alles, was er gekannt hatte, dahinschwand, während er mit jedem austretenden Tropfen weniger wurde, nach Ichor und Verletzung stank, vor allem nach Verletzung, nach der Verletzung seines unsterblichen Fleisches, und sich nach seiner verlorenen Gabe sehnte, immer mehr in Hass und Wahnsinn versank, eine Gestalt ohnmächtigen, tobenden Trotzes. Doch die Geschichte musste noch weitergeschrieben werden.
Sie musste immer weitergeschrieben werden.
Dieser Gedanke gefiel ihm. Es gab Dinge,
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