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Elegie - Fluch der Götter

Elegie - Fluch der Götter

Titel: Elegie - Fluch der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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die Haomane der Erstgeborene, der Gedankenfürst, nie verstanden hatte. Er hatte nicht dem Rat der Drachen gelauscht. Der Tod und die Wiedergeburt der Welt war eine lang andauernde und mächtige Angelegenheit.

    »Ihr alle seid meine Kinder.«
    Er flüsterte diese Worte, schmeckte sie und fand, dass sie der Wahrheit entsprachen. So viele Lügen, und so wenige stammten von ihm! Eines Tages würde die Welt vielleicht verstehen. Er war ein Schöpfer. Man hatte ihm eine Rolle zugewiesen, und er hatte sie gespielt.
    Nun waren sie schon sehr nahe.
    Es ertönte ein Geräusch; eine der drei Türen öffnete sich. Er hob den schweren Kopf und wollte sehen, wer von ihnen als Erster eingetroffen war.
    Am Ende war es doch eine Überraschung, auch wenn es keine Überraschungen mehr gab, nicht hier am Ende. Der Brunnen brannte still und sprühte blau-weiße Funken auf den undurchdringlichen Steinboden. Dort unten pulsierte stetig der Gottestöter, der Splitter der Souma.
    Vom oberen Ende der Wendeltreppe wurde er aufmerksam beobachtet.
    »Mein Kind«, sagte Satoris der Drittgeborene, der früher einmal der Säende genannt worden war. »Ich habe Euch erwartet.«
     
    Hoch über der Verderbten Schlucht ritt Uschahin am Rande der Klippe und starrte auf den Pfad tief unter ihm.
    Die überlebenden Fjel waren sicher nach Finsterflucht zurückgekehrt. Wenigstens das hatte er erreichen können. Aber Haomanes Verbündeten war es gelungen, der ersten Gerölllawine auszuweichen; schlimmer noch, sie hatten auch die Falle entdeckt, die den zweiten Felssturz auslösen sollte.
    Nun warteten sie außerhalb ihrer Reichweite.
    Es war eine unerträgliche Pattsituation. Er wünschte, Tanaros würde zurückkehren und Vorax wäre noch am Leben, oder zumindest Tanaros’ junger Mittländer-Schützling — irgendjemand, der das Kommando über die entmutigten Tordenstem übernehmen konnte.
    Aber da war niemand. Eigentlich hätte es nichts ausmachen sollen. Finsterflucht war eine Festung, die zur Verteidigung errichtet worden war. Die Zeit sollte ihr Verbündeter sein, und noch vor
einem Tag wäre es tatsächlich so gewesen. Doch nun war die Armee von Finsterflucht versprengt, der Schattenhelm war zerbrochen, Haomanes Prophezeiung hing drohend über dem Tal von Gorgantum, und Uschahin wünschte sich dringend, anderswo zu sein.
    In der Weberkluft huschten die kleinen grauen Spinnen über die gewaltigen Netze. Sie behoben die Schäden, welche die vorbeiziehenden Fjel angerichtet hatten, und stellten das ursprüngliche Muster wieder her. Immer wieder taten sie dies, wie oft es auch zerstört werden mochte.
    Uschahin beobachtete die kleinen Spinnen und gelangte zu einer Entscheidung.
    »Du.« Er rief einen der Tordenstem herbei. »Wie nennt man dich?«
    Der Fjel salutierte vor ihm. »Boreg, Herr.«
    »Boreg.« Uschahin deutete in die Schlucht. »Da unten siehst du Haomanes Verbündete. Beobachte sie. Irgendwann werden sie weiter vorrücken. Wenn sie die Biegung des Pfades dort hinten erreicht haben, will ich, dass du und deine Jungs die Lawine auslösen.«
    »Ja, Herr.« Dem Tordenstem schien dieser Befehl nicht zu gefallen. »Werdet Ihr nicht bei uns bleiben?«
    »Ich kann nicht.« Uschahin legte dem Fjel die Hand auf die Schulter und spürte deren steinharte Wärme. »Heerführer Tanaros vertraut auf dich, Boreg. Tu dein Bestes.«
    »Ja, Herr.«
    Uschahin warf einen letzten Blick auf Haomanes Verbündete. Sie beobachteten ihn; eine Gestalt in der fernen Vorhut hob die Hand, und der Soumanië blitzte wie ein roter Stern in den finsteren Tiefen. Uschahin lächelte verächtlich. Er war sicher, dass Aracus Altorus keine Zeit damit vergeuden würde, auch nur eine Unze seiner kostbaren Kraft auf einen Kampf mit ihm zu verschwenden, vor allem da ihn noch ein weiterer Felssturz und das Tor zur Verderbten Schlucht erwarteten. Er wusste nicht, durch welche Magie die Macht der Souma heraufbeschworen worden war, aber er wusste, dass sie einen beträchtlichen Tribut erforderte.
    Der Fürst war der lebende Beweis dafür, und er war ein Schöpfer.
    »Genieße diesen Geschmack des Sieges, Sohn des Altorus«, murmelte er. »Ich gehe jetzt und werde das tun, was ich schon vor langer Zeit hätte tun sollen.«
    Uschahin wendete sein Pferd in Richtung Finsterflucht. Der blutbraune Hengst passte sich seiner Stimmung an, und in rasendem Tempo galoppierte er auf die Festung zu. Das Futteral mit dem zerschmetterten Helm hüpfte auf und nieder und schlug bisweilen gegen den Sattel.

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