Elegie - Fluch der Götter
vorbei und nahm eine der Fackeln aus seinem Bündel. Es war ein lautes, kratzendes Geräusch zu hören, als er den Feuerstein schlug. Funken stoben hoch, und das Pech fing Feuer.
Gelber Fackelschein tanzte über die Oberfläche der Felsen. Es war ein breiter und tiefer Tunnel, der sich nach unten in die endlose Finsternis erstreckte. Hinter dem Lichtpfuhl, den die Fackel warf, gab es nichts als schwarzes Schweigen.
Wenn sie Glück hatten, würde es so bleiben.
»Sollen wir gehen?«, fragte Thulu gelassen.
»Ja.« Dani warf einen sehnsüchtigen Blick zurück. Die Ranken waren noch immer geteilt, und er sah, wie die Dame Sorhild die Hand zum Abschied hob. Die Hoffnung in ihrem Gesicht – in all ihren Gesichtern – war eine schwere Bürde. Er seufzte, richtete den Blick auf die Finsternis und hörte, wie der Rankenvorhang sanft raschelnd wieder zufiel. »Führ mich nach Finsterflucht, Onkel.«
»Er hat was getan?« Außer sich vor Zorn packte Tanaros den Aufschlag von Vorax’ Wams, schleuderte den alten Gierschlund gegen die Wand und hielt ihn dort fest. »Ist er verrückt ?«
»Ruhig, Vetter!«, schnaufte der Stakkianer und versuchte sich aus Tanaros’ Griff zu befreien. Sein bärtiges Gesicht wurde allmählich rot. »Und was das Letztere angeht, musst du da etwa noch fragen?«
Ein wortloser Schmerzensschrei dröhnte durch die Steine von Finsterflucht, einmal, zweimal, dreimal. Er klang rau und abgerissen; es war eine Stimme, die schon seit langer Zeit schrie. Irgendwo litt Uschahin Traumspinner an den Auswirkungen seines Versuchs, den Willen des Fürsten Satoris zu vereiteln.
Tanaros fluchte und ließ Vorax los, der auf dem Boden zusammenbrach und sich die gequetschte Kehle rieb. »Was hattest du damit zu tun?«
»Nichts!« Der Stakkianer sah ihn finster an. »Sind wir nicht vor Kurzem gemeinsam losgeritten, du und ich? Haben wir nicht Fürst Satoris’ Befehl ausgeführt? Lass deinen Zorn an jemand anderem aus, Vetter!«
Tanaros zog sein Schwert und berührte mit der Spitze Vorax’ Brust. Der Griff pulsierte in seiner Hand und gab Kunde von der Wut des Fürsten Satoris, in dessen schwarzem Blut die Klinge gehärtet worden war. Derselbe Puls hämmerte in seiner Brust und in der Narbe oberhalb seines Herzens. »Es ist nicht leicht, genug Gift zusammenzubekommen, mit dem man einen Ellyl töten kann. Lüg mich nicht an … Vetter.«
Vorax hob die Hände. »Frag doch deine Hohe Frau, wenn du sie so sehr schätzt.«
Tanaros nickte knapp und grimmig. »Das werde ich.«
Er steckte das Schwert zurück in die Scheide und lief dann durch die Gänge von Finsterflucht. Seine Wut, die Wut des Fürsten Satoris, strahlte in Wellen von ihm ab, glühend heiß und versengend. Niemand wagte es, ihm in den Weg zu treten. Irrlinge und Wächter wichen ihm gleichermaßen aus; die Ersteren huschten in Deckung, die Letzteren schlossen sich ihm in sicherer Entfernung an und tauschten besorgte Blicke.
Die Tür zu ihren Gemächern stand halb offen.
Das allein reichte aus, um seine Wut noch zu verstärken. Tanaros warf die Tür weit auf und trat ein. Der Anblick von Cerelinde in
ihrer ganzen Schönheit, die gerade mit Speros redete, machte ihn vorübergehend sprachlos.
»Heerführer Tanaros.«
»Heerführer!«
Beide standen auf und begrüßten ihn. Cerelindes Miene war ernst und gefasst; Speros wirkte offen und dankbar. Tanaros rang um Beherrschung. Von irgendwoher drang der Duft von Vulnus-Blüten.
Nein.
Das war Einbildung oder bloße Erinnerung. Schon einmal hatte er zwei Personen so angetroffen. Nicht diese beiden, sondern zwei andere. Calista, seine Frau, und Roscus Altorus, seinen Herrn.
»Was ist hier vorgefallen?«, fragte Tanaros mit belegter Stimme. »Berichte!«
»Es war eine von Traumspinners Irrlingsfrauen, Anführer.« Speros warf ihm vorsichtige Blicke zu und blieb außerhalb der Reichweite seines Schwertes. Tanaros konnte sich nicht erinnern, es gezogen zu haben, seit er Vorax allein zurückgelassen hatte, doch nun lag es in seiner Hand. »Sie hat versucht, die Hohe Frau zu vergiften, wenn ich es richtig sehe. Der Fürst ist furchtbar wütend. Die Hohe Frau sagt, sie weiß nicht, wer ihr das Gift gebracht hat.«
Mühsam brachte Tanaros seinen Atem wieder unter Kontrolle und deutete mit der Schwertspitze auf Cerelinde. »Wer war es?«
Sie hob das Kinn. »Das kann ich nicht sagen, Heerführer.«
Sie log, oder zumindest kam ihre Aussage einer Lüge so nahe, wie es den Ellylon möglich war. Sie
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