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Elegie - Fluch der Götter

Elegie - Fluch der Götter

Titel: Elegie - Fluch der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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spürte Tanaros die neu gewonnene Kraft des Halbbluts durch seinen Handschuh hindurch, während er dem Traumspinner auf die Beine half. »Warum will er, dass gerade du nach tausend Jahren ein Schwert führst?«
    Uschahin atmete schwer aus und hielt sich an Tanaros’ Schulter
fest, damit er nicht das Gleichgewicht verlor. »Damit auch ich in der kommenden Schlacht von Nutzen sein werde, da mir der Schattenhelm verwehrt ist.« Ihre Blicke trafen aufeinander, und Uschahin schenkte Tanaros ein verzerrtes Lächeln. »Du hast ihn getragen. Ich mag größeren Wahnsinn mitbringen, aber du bringst die Reinheit deines Hasses und das Geschick eines Kriegers mit. Trage ihn gut und schwinge dein Schwert gut. Schließlich ist hier eine Prophezeiung am Werk.«
    … und der Schattenhelm ist zerbrochen …
    Tanaros holte tief Luft. »Das ist eine schwere Bürde.«
    »Ja.« Uschahin ließ Tanaros los und stand auf schwankenden Beinen. Er beugte seinen neu geschaffenen Schwertarm und beobachtete, wie sich die Muskeln unter der Oberfläche seiner blassen Haut bewegten. »Es war ein Spiel, Vetter, und ich habe verloren. Damit müssen wir klarkommen.« Er deutete mit dem Kopf in Richtung der Thronhalle. »Da du den Fürsten liebst, solltest du jetzt zu ihm gehen und ihm die Neuigkeiten überbringen, die er gern hören wird.«
    Man benötigte dreihundert Schritte, um die Thronhalle der Länge nach abzuschreiten. Die Fackeln brannten mit heftigem Glanz, schleuderten Flammenmeere aus Feuermark an die Deckenbalken und warfen tiefe Schatten. Der Fürst saß reglos auf seinem Karneolthron. Der Gottestöter schimmerte in seinen Händen, und auf seinem Kopf saß der Schattenhelm.
    Dieser Anblick traf Tanaros wie ein Schlag. Es war nie leicht, den Fürsten anzusehen, doch am schwersten war es, wenn Satoris diesen Helm trug, denn er war dem Grad seiner Verzweiflung angepasst – der Verzweiflung über das Wissen, das er allein hatte, und über die Rolle, die das Schicksal ihm zu spielen aufgezwungen hatte. Die Verzweiflung über die Feindschaft des eigenen Bruders, über den Verlust der schwesterlichen Liebe. Über das versengte und geschwärzte unsterbliche Fleisch, über den Stich des Gottestöters und seine unheilbare Wunde. Verzweiflung über Generationen des Hasses, der die Grundfesten seiner geistigen Gesundheit aushöhlte.
    Und nun erfüllte ein neuer, zusätzlicher Schmerz die dunklen Augenhöhlen: der Schmerz des Verrats, ein Wirbelwind aus untrennbar
miteinander verbundener Wut und Reue, befleckt von Selbsthass. Tanaros spürte, wie ihm Tränen in die Augen traten, und sein Herz schwoll unter dem beklemmenden Brandmal so stark wie eben möglich an.
    »Tanaros Schwarzschwert.« Fürst Satoris’ Stimme klang tief und müde.
    »Mein Fürst!« Er kniete nieder; die Worte brachen mit großer Heftigkeit aus ihm hervor. »Mein Fürst, ich schwöre, ich werde Euch nie verraten!«
    Das Gesicht des Schöpfers verzog sich unter dem Schatten des Helms zu so etwas wie einem bitteren Lächeln. »Du hast Traumspinner gesehen.«
    »Er hätte sich Eurem Willen niemals widersetzen dürfen.« Tanaros schaute hoch in die schmerzende Leere. »Er hätte Euren Schmerzen niemals einen weiteren hinzufügen dürfen, Herr.«
    Der Schöpfer neigte den Kopf und betrachtete den Gottestöter. Der Splitter pulsierte zwischen seinen Händen und strahlte ein rötliches Glimmen ab. »Es ist nicht ganz ohne Grund geschehen«, sagte er schließlich. »Aber dennoch … ach, Tanaros! Gibt es denn keine Möglichkeit zu überleben, ohne der zu werden, für den mich die Leute halten? Ich habe so lange und so hart gekämpft. Uschahin Traumspinner hat versucht, selbst die Bürde zu tragen, aber der Vorsehung kann man nicht entkommen. O liebender Verräter und verräterische Liebe!« Er stieß ein harsches, widerhallendes Lachen aus, unter dem der Fackelschein erzitterte. »Es ist immer die Wunde, die am tiefsten geht.«
    Tanaros runzelte die Stirn. »Herr?«
    »Achte nicht auf meine Worte.« Fürst Satoris schwenkte die Hand vor seinen vom Helm verschatteten Augen. »Ich bin in der Dunkelheit, mein treuer Heerführer. Ich bin von ihr umgeben. Sie ist alles, was ich sehe, und sie wird immer tiefer. Achte nicht auf mich. Es ist deine Zeit, die kommt – die Zeit der Drei. Deshalb habe ich dich vor so vielen Jahren gerufen. Bisweilen frage ich mich, wer …« Er warf einen Blick auf den Gottestöter, hielt inne und sammelte sich. »Vorax berichtet, dass mein Befehl ausgeführt wurde

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