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Elegie - Fluch der Götter

Elegie - Fluch der Götter

Titel: Elegie - Fluch der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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der gerade und stark ist, den man sauber wie eine Flöte schälen kann und der gut in der Hand liegt, damit du dich auf ihn stützen kannst, wenn du wieder fett geworden bist.«

    Thulu lachte aus der Tiefe seiner Brust heraus. »Glaubst du das?«
    »Nein.« Danis Lächeln wurde wehmütig. »Aber wir können doch so tun, oder?«
    »Also gut.« Thulu strich mit seinen starken, schwieligen Fingerspitzen sanft über das Klanzeichen. »Ja, Junge, das verspreche ich dir. Was auch immer passieren mag, eines Tages wird die Welt sagen: ›Dani der Träger war hier, und auch sein fetter Onkel Thulu. Sie haben ihr Bestes gegeben. Und wir sollten das auch tun.‹«
     
    Uschahin Traumspinner saß mit überkreuzten Beinen auf einem hohen Felsvorsprung und schaute auf die Ebene von Curonan hinunter, während sich seine rechte Hand um ein Felsstück klammerte. Der schwere Mantel aus Schafswolle, den er trug, hielt den Wind zum größten Teil ab, doch seine Knochen schmerzten trotzdem in der Kälte.
    Alle außer denen in seinem rechten Arm.
    Er fühlte sich seltsam an; dieses gerade und hübsche Glied, das er ohne Schwierigkeiten anmutig bewegen konnte, war ihm f remd. Genau wie diese feingliedrige Hand, deren Finger nun so gewandt waren und gleichzeitig fest zupacken konnten. Verschwunden waren die vertraute Steifheit der Gelenke und die bis in den Knochen reichenden Schmerzen, die den Rest seines Körpers plagten. All das war ersetzt durch eine leichte, geschmeidige Kraft und die Erinnerung an Qualen, die jeglichen Schmerz übertrafen, den sein Körper je erfahren hatte, Qualen, die wie ein Phantom unter der Oberfläche seiner Haut weiterlebten. Seine Knochen schmerzten nicht nur. Sie erinnerten sich.
    Tanaros hatte ihm geraten, das Felsstück zu drücken. Es stärkte die neuen Sehnen und Muskeln und machte die weiche Haut an Handfläche und Fingern härter. Das schien Uschahin unnötig zu sein, doch es gab seinen Schmerzen einen Brennpunkt. Also drückte er zu, und jedes Mal, wenn sich seine Hand um den Stein schloss, sandte dies ein Pulsieren durch Mark und Bein, das sich an die langsame Pulverisierung seiner Knochen erinnerte. Darin lagen ein makabrer Trost und auch eine gewisse Ironie. Eine andere Erinnerung
bedrängte ihn, ein Bild, das wie ein Schatten über ihm lag, und auch darin steckte ein Schmerz, an den sich die Knochen erinnerten. Und jetzt, tausend Jahre später, war er hier und presste die Finger um ein Felsstück. Es war seltsam, wie sich nach so langer Zeit der Kreis schloss. Uschahin wünschte, er könnte mit Calanthrag darüber reden. Die Älteste würde ihn verstehen.
    Doch die Zeit selbst war das Problem, denn es blieb keine mehr übrig. Nicht für ihn, nicht für die anderen. Seine Raben streiften über das Antlitz von Urulat. Uschahin saß da, drückte den Stein mit der rechten Hand und schaute durch das zersplitterte Mosaik der unzähligen Rabenaugen. Er wusste nicht, was ihn mehr entsetzte: das, was sie sahen, oder das, was sie nicht sahen.
    Hufgetrappel ertönte auf dem gewundenen, trügerischen Pfad hinter ihm und zerrte ihn aus seinem fernen Tagtraum. »Fürst Traumspinner?«
    »Speros von Haimhault.« Uschahin hatte ihn erkannt, ohne ihn anzusehen.
    »Heerführer Tanaros hat mich gebeten, Euch zur Waffenschmiede zu geleiten.« Obwohl der Mittländer es mit aller Gewalt zu verhindern versuchte, zeigte sich doch in seiner Stimme eine Vielzahl von Gefühlen. Uschahin lächelte in sich hinein.
    »Wunderst du dich darüber, dass ich noch lebe?«, fragte er, ließ den Stein fallen und stand auf. »Ist es das, Mittländer? Würdest du mich lieber tot sehen, weil ich mich den Wünschen des Fürsten widersetzt habe?«
    »Nein, Herr!« Speros riss die braunen Augen auf. Er saß breitbeinig auf dem Pferd, das er auch auf ihrer Reise nach Finsterflucht geritten hatte; es war das geisterhafte graue Pferd, das Uschahin ihm geliehen hatte. Hinter ihm befand sich der blutbraune Hengst, der den Kopf erhoben hatte und höchst wachsam war. »So etwas würde ich niemals denken.«
    »Nein?« Uschahin trat an die Seite des Hengstes. Sein einst so raues Fell war nun gepflegt und glänzte; es hatte eine tiefrote Färbung angenommen. Er spürte, wie das Tier unter seiner Berührung erzitterte, aber es stand da, ohne zurückzuweichen, und ließ ihn aufsitzen,
wobei es ihm nur ein aufmerksames Auge zudrehte. Mit einem starken Arm war es viel leichter, auf ein Pferd zu klettern. »Wie ist es denn bei dir? Bist du genauso

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