Elegie - Herr der Dunkelheit
eine Schande, dass Euer Volk es nicht wagt, sich dazu zu bekennen, Hohe Frau. Das Gewicht der Welt würde vielleicht nicht auf Euren Schultern ruhen, wenn es anders wäre.«
»Ihr lügt«, flüsterte Cerelinde.
Fürst Satoris zuckte die Achseln, und die Bewegung rührte die Schatten auf. »Seltener als Ihr glaubt, Hohe Frau«, sagte er, und Bedauern schwang in seiner Stimme mit. »Diese Dinge liegen im Bereich der Gabe, die einst mein war, und ich allein kenne sie. Obwohl die Ellylon es selbst nicht wissen, ich sage es Euch: Es gibt noch eine andere.«
»Wer ist es?« Cerelinde beugte sich vor, sich selbst vergessend. »Wer , Herr?«
Er betrachtete sie langsam und gedankenverloren. »Ich werde es Euch sagen, im Austausch für mir freiwillig anvertrautes Wissen. Die Drei würden Euch am liebsten verhören. Ich, ich frage nur, Hohe Frau. Wie sind die Pläne von Malthus dem Gesandten?«
Es war klar, dass er das fragen würde. Er musste es fragen. Cerelinde bedeckte das Gesicht mit den Händen und wünschte, sie wüsste die Antwort. Auch wenn sie nichts verraten wollte, so hätte sie zumindest einen Trumpf in der Hand gehabt. Welch bitterer Aberwitz war es doch, dachte sie, als sie sich an Aracus’ Worte im Tal von Lindanen erinnerte. Es ist nur für kurze Zeit, Hohe Herrin. Malthus weiß, was er tut. Sie fragte sich, ob der Weise Gesandte geahnt hatte, was ihr bevorstand, und sie betete, dass dem nicht so war. Diese Möglichkeit war zu grausam, als dass sie darüber nachdenken wollte.
Sicherlich hatte Aracus es nicht gewusst.
»Ich weiß es nicht«, murmelte sie durch ihre Finger hindurch. »Ich weiß es nicht.«
Satoris wartete, bis sie ihren Kopf hob, um ihn anzusehen. Als er die Wahrheit in ihrem Gesicht las, nickte er einmal. »Das habe ich ihnen gesagt. Nun gut, Ihr mögt gehen. Wir werden bald wieder sprechen, Hohe Frau.«
»Alle drei?« Cerelinde schluckte. »Alle drei wollten mich einem Verhör unterziehen?«
Er ließ sich lange Zeit mit der Antwort. Das Feuermark brannte geräuschlos und erfüllte die Brunnenkammer mit Helligkeit; in seiner Mitte hing der Gottestöter wie ein unterbrochener Klagelaut und pulsierte. Dunkelheit sammelte sich um den Schöpfer wie
Sturmwolken, und seine Augen funkelten in einem trägen, unauslöschlichen Rot.
»Nein«, sagte er schließlich. »Nicht alle. Tanaros nicht.«
Es erfreute ihr Herz, als sie das hörte, und gleichzeitig erfüllte diese Erkenntnis sie mit Unruhe. Wie tief war sie gesunken, wie tief hatte all dies sie erschüttert, dass die freundliche Haltung von Tanaros Königsmörder sie glücklich machte? Die Lügen des Weltenspalters unterhöhlten die Grundfeste ihrer Sicherheit. Konnte es sein, dass jemand anders die Prophezeiung erfüllen konnte, eine andere Tochter aus dem Hause Elterrion? Malthus der Gesandte hielt seinen Beschluss wirklich sehr geheim…
Nein. Nein. So etwas zu glauben öffnete der Verzweiflung Tür und Tor. Satoris Fluchbringer war der Lügenfürst, und hinter der eleganten Höflichkeit von Heerführer Tanaros verbarg sich ein Mann, der seine Frau erwürgt und seinen Lehnsherrn erschlagen hatte. Andere Wahrheiten spielten keine Rolle.
Im Garten unten erschauerte eine Mortexigusblume, ohne dass sie berührt worden war, und warf ihre Pollen ab.
Oh Aracus! , dachte Cerelinde verzweifelt. Ich brauche dich!
ACHTZEHN
D ank Meronin des Fünftgeborenen, des Herrn der Meere, wehte ein guter Wind vom Hafen Eurus, und Haomanes Verbündete erreichten sicher pelmaranischen Boden, wo eine Abordnung des Regenten Martinek auf sie wartete. Männer der Grenzwacht, von Seefeste, aus den Mittlanden oder Vedasia, dann noch die Schar der Ellylon – es war nicht einfach, einen unter ihnen auszumachen, der die anderen führen sollte.
Aus dieser rein praktischen Erwägung heraus verneigten sich alle, ohne zu murren und wie ein Mann, vor dem pelmaranischen Regenten.
»Wir brauchen ihn«, raunte der gerissene Herzog Bornin Aracus Altorus zu. »Wir brauchen sie alle, sonst werden wir gegen die Zauberin nicht bestehen können.«
Und so geschah es, dass Aracus, der letzte Nachfahre des Hauses Altorus, der verbannte König des Westens, den rotgoldenen Kopf in einer höflichen Geste beugte, und alle, die ihm folgten, taten es ihm gleich, abgesehen von den Riverlorn, jener Schar der Ellylon, die sich selbst keinem anderen Geschlecht der Geringeren Schöpfer als unterlegen betrachteten.
»Nun denn.« Martineks Hauptmann, der den Namen Rikard trug, ritt an
Weitere Kostenlose Bücher