Elegie - Herr der Dunkelheit
wartete, sie zu bedienen. Er warf nur einen kurzen Blick auf das Mädchen und nahm nur wenig von den angebotenen Erfrischungen.
»Die Bahnen verlangen Euch nicht so viel ab wie dem Heerführer«, stellte Lilias fest.
»Nein.« Uschahin nahm einen Schluck Wasser, das kühl aus der Zisterne kam. »Tanaros führt ein mächtiges Schwert und hat große Befehlsgewalt in der Schlacht. Ich habe … andere Fähigkeiten. Deswegen bin ich hier. Frau Zauberin, welche Nachrichten gibt es von Haomanes Verbündeten?«
»Sie ziehen sich bei Kranac zusammen.« Nervös fuhr Lilias mit dem Finger unter Sarikas Dienerhalsband aus beschtanagischem Silber und spürte, wie sich das Mädchen bewundernd an ihre Knie schmiegte und ihr die weiche Kehle darbot. Calandor hatte ihr gezeigt, wie sie andere Menschen an den Soumanië binden und ihrem Willen unterwerfen konnte. »Stimmt das nicht mit dem Plan des Fürsten überein?«
»Doch.« Die ungleichen Pupillen des Halbbluts leuchteten. »Was ist mit Malthus ?«
»Malthus dem Gesandten?« Lilias blinzelte. »Da gibt es nichts Neues. Wieso?«
Der Träumer wandte den Kopf und betrachtete das unbenutzte Spinnrad, das in einer Zimmerecke Staub ansetzte. »Weil ich auch
nichts Neues von ihm weiß«, sagte er leise. »Zauberin, ist Beschtanag für den Angriff bereit?«
»Ja«, sagte Lilias grimmig und richtete sich auf. »Wollt Ihr damit sagen, der Plan hätte sich geändert?«
»Nein.« Nach einer Pause schüttelte Uschahin mit einem Rascheln seines schimmernden Haares den Kopf. »Nein«, wiederholte er entschlossen. »Ich werde Euch nun verlassen und durch die Bahnen bis Jakar reisen, an die pelmaranische Grenze. Dort, wo der Wald von Pelmar an die Unbekannte Wüste grenzt, ist ein Knoten, ein Tor des Marasoumië. Dort warten zwei Einheiten berittener Rukhari auf die Ankunft unserer Truppen. Fürst Vorax hat das zugesagt. Zweifelt Ihr daran?«
»Nein«, hauchte Lilias und fragte schweigend: Calandor?
Es ist so, Lilias, bestätigte der Drache.
»Gut«, sagte Uschahin. »Dort, in Jakar, werde ich das Tor des Marasoumië öffnen – es öffnen und halten. In Finsterflucht wird Fürst Vorax das andere Ende geöffnet halten, und Heerführer Tanaros wird das Heer durch die Bahnen führen.«
»Ist das möglich?«, fragte sie ihn.
»Ja.« Er lächelte sie verzerrt an. »Nicht ohne große Anstrengung. Aber mit der Hilfe von Fürst Satoris werden Vorax und ich den Preis, den es fordert, zahlen können. Tanaros und sein Heer werden davon nicht berührt. In Jakar werden sie Aufstellung nehmen und dann Haomanes Verbündeten in den Rücken fallen.«
Lilias blickte zur Seite. »Jakar ist weit weg von Beschtanag, Träumer. Zu weit.«
Das Halbblut zuckte die Achseln. »Es ist weit genug entfernt, um sicher zu sein, Hohe Frau. Es gibt keinen Ort innerhalb Pelmars, an dem sich das Heer von Finsterflucht ungesehen versammeln könnte, und nur die Überraschung kann uns den Sieg garantieren.«
»Mir scheint, es wäre auch eine äußerst große Überraschung für Haomanes Verbündete, wenn es hier erschiene«, sagte Lilias knapp. »Immerhin gibt es einen Knoten des Marasoumië hier in Beschtanag.«
»Ja.« Uschahin sah sie mit einem Blick an, in dem etwas wie Bedauern
lag. »Den gibt es. Und es gibt eine Mauer, die uns alle in Beschtanag einpferchen könnte, noch dazu umgeben vom dichten pelmaranischen Wald. Eine Falle muss an beiden Seiten zuschnappen, Hohe Frau. Wenn wir sie hier erwarten würden, hätten wir keine Möglichkeit, sie einzukreisen oder ihnen den Rückzug abzuschneiden. Fürchtet Euch nicht. Jakar ist nahe genug, und die Truppen von Heerführer Tanaros können mit großer Schnelligkeit vorrücken. Der Pfad, dem sie folgen, wird bereits vom Feind ausgetreten sein. Es wird drei Tage dauern, länger nicht.«
Sie biss sich auf die Unterlippe. Am Tag zuvor war einer der Wehrbrüder gekommen – ein grauer, schattenhafter Einjähriger, wachsam und mit dünnen Läufen, und hatte ihr Bericht erstattet, so wie es die Graufrau Vaschuka versprochen hatte. »Haomanes Verbündete versammeln sich in Kranac. In fünf Tagen werden sie hier sein und Beschtanag belagern.« Sie sah ihm direkt ins Gesicht. »Wann wird Euer Heer hier sein, Träumer?«
»Es wird ihnen direkt auf den Fersen sein.« Er erwiderte ihren Blick, ohne zu blinzeln. »Ein Tag, vielleicht zwei. So war es abgemacht, Zauberin. Könnt Ihr so lange standhalten?«
»Was meint Ihr?«, fragte Lilias grimmig zurück. Sie erhob sich von
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