Elegie - Herr der Dunkelheit
bevor. Hinter ihr in der unergründlichen Dunkelheit erhob sich ein riesiger Schatten.
»Was bedeutet das, Calandor?«, fragte sie leise.
»Schwierigkeiten.« Das Wort drang unter schwefligem Atem hervor und verlor sich ein wenig unter der gewölbten Decke der großen Höhle. Ohne Angst legte sie eine Hand auf die krallenbewehrte Tatze neben ihr. Die rauen Schuppen fühlten sich warm an, die breiten Klauen glühten wie Roteisenerz und krallten sich in den Steinboden. Auf jeder Seite ragten Vorderläufe auf, die so groß und gewaltig wie Säulen waren. Hoch über und hinter ihrem Kopf konnte sie das Herz des Drachen schlagen hören, langsam und stetig wie der Puls der Erde.
»Für wen?«
»Für unssss.« Calandor beugte seinen sehnigen Hals bei dieser Antwort, und die Hitze seines Atems wärmte ihre Wange.»Für unsss, Liliasss.« Und es lag Leid und Bedauern in der Stimme des Drachen.
Ich werde keine Angst haben, sagte Lilias zu sich selbst. Ich werde keine Angst haben!
Sie berührte den Soumanië, den roten Stein auf ihrer Stirn, und sah nach Westen, wo sein Zwilling am Horizont flackerte. »Was sollen wir tun, Calandor?«
»Warten«, sagte der Drache und legte ihr seine Gedanken offen. »Wir warten, Liliasss.«
Und in diesem Augenblick wusste sie es, erfuhr Wissen, dessen eine Menschentochter niemals hätte gewahr werden sollen. Die Zauberin Lilias erbebte unter diesem Wissen. »Oh Calandor!«, rief sie aus, wandte sich um und barg ihr Gesicht am Schuppenpanzer der Drachenbrust, warm wie polierte Bronze. »Calandor!«
»Alle Dinge müssssen so sein, wie sie sind, kleine Schwessster«, sagte der Drache. »Alle Dinge.«
Und der rote Stern flackerte im Westen.
ZWEI
Z ehntausende von Fjeltrollen erwarteten seine Befehle.
Es war die erste vollständige Heerschau seit dem Rückruf aller Truppen, und in den Reihen der Soldaten standen Altgediente neben jungen Rekruten. Über den Winter hatten sie alle hart gearbeitet und sich bei den vielen Wehrübungen ertüchtigt, die Tanaros befohlen hatte. Nun, an diesem Frühlingsnachmittag, sollten sie endlich zeigen, was sie gelernt hatten.
Trotz der schweren Gedanken, die Tanaros durch den Kopf gingen, konnte er doch nicht umhin, Stolz bei ihrem Anblick zu empfinden. So viele! Wie lange war es her, dass sich so viele Köpfe unter dem Befehl seines Herrn versammelt hatten? Das letzte Mal war es wohl beim Fall Altorias gewesen, vor vielen Jahrhunderten, als er ein großes Heer über die Ebene von Curonan geführt und die Herrschaft des Hauses Altorus im Südwesten Urolats für immer zerschlagen hatte. Die Ebene war seitdem Niemandsland. Wenn man sie selbst nicht besetzen konnte, gönnte man sie auch keinesfalls dem Feind.
Der sie nun erneut bedrohte.
»Hört mir zu!«, rief er, und seine Stimme schallte von den Hängen der Berge zurück. »Ein roter Stern ist im Westen aufgegangen! Der Feind droht uns mit Krieg! Soll er uns gewappnet antreffen, meine Brüder?«
Ein lautes Brüllen war die Antwort, und sein Pferd tänzelte zur Seite; es war ein rabenschwarzes Tier, ein herrlicher Hengst, dem der Schaum ums Gebiss stand. Der kräftige Hals war geschwungen, das Fell glänzte vor Schweiß. Vorax hielt sich an seiner Seite, gemütlich in seinem tief ausgeschnittenen Sattel sitzend, und lachte leise und kehlig in sich hinein. Während Tanaros eine schmucklose
Rüstung trug, war der Stakkianer höchst prunkvoll gekleidet, und seine vergoldete Rüstung leuchtete wie eine kleine Sonne unter den tief hängenden Wolken.
»Ruhig«, raunte Tanaros seinem Hengst zu und zog die Zügel an. »Ganz ruhig.« Die Pferde von Finsterflucht waren eine ganz besondere Rasse. Der Hengst stand nun still, und Tanaros erhob die Stimme erneut. »Lasst uns tun, was wir am besten können, meine Brüder! Marschall Hyrgolf, auf meinen Befehl!« Und dann gab er die Anweisungen in den allgemein bekannten Begriffen. »Die Mitte hält die Stellung! Verteidigungsformation! Die linke Flanke rückt vor und greift an! Die rechte Flanke schlägt einen Haken und attackiert die Nachhut!«
Dies wurde unter dem grauen Himmel ausgeführt. In der Mitte schwenkten die Bannerträger ihre Flaggen, um den weiter außen stehenden Bataillonen die Vorgaben zu übermitteln, während Hyrgolf ebenfalls Befehle brüllte, in der Gemeinsamen Sprache, aber auch in der rauen Sprache der Fjeltrolle, die seine Unterbefehlshaber aufnahmen und weitergaben. Die Befehlskette war klar aufgebaut und lief reibungslos.
Der größte,
Weitere Kostenlose Bücher