Elegie - Herr der Dunkelheit
erkennen. Er verschwendete keine Zeit und befahl sofort, mit dem Bau neuer Belagerungsmaschinen zu beginnen.
Drei Tage.
So lange hätten sie warten müssen, wenn das Heer von Finsterflucht wie geplant in Jakar eingetroffen wäre. Jetzt, in diesem Augenblick, wären die Fjeltrolle marschiert und hätten das Unterholz unter ihren breiten Füßen zertrampelt, angeführt von Heerführer Tanaros.
Aber nun waren sie nicht mehr auf dem Weg und würden nie kommen. Lilias wusste es. Sie war allein in die Höhle des Marasoumië gegangen, tief unter dem Beschtanag. Dann hatte sie dort gestanden und sich gefragt, ob sie sich trauen würde zu fliehen. Die Lichter des Knotens flackerten unregelmäßig. In den Bahnen war etwas nicht in Ordnung, etwas höchst Schwerwiegendes.
Nachdem sie ein wenig herumgetastet hatte, wusste sie auch, was es war. Es war nicht nur eine, sondern es waren zwei Seelen innerhalb des Marasoumië gefangen, keine bloßen Sterblichen, sondern Wesen mit großer Macht, unter deren Wirken sich die Bahnen aufbäumten und verschoben. Der eine trug eine Kraft, die ihrer eigenen
glich, einen Soumanië, und nur die Tatsache, dass er völlig erschöpft war, hielt ihn davon ab, ihn zu gebrauchen. Der andere zählte zu den Gebrandmarkten, und nur die Tatsache, dass ihn der Gottestöter gezeichnet und die Kraft eines Schöpfers sein Fleisch berührt hatte, hielt den Marasoumië davon ab, ihn völlig zu verschlingen. Ansonsten hielt ihn nur die reine Halsstarrigkeit am Leben und zwang die Bahnen, sich seinem Willen zu beugen.
So oder so, es wäre unsicher gewesen, sich dort hineinzubegeben.
Lange sah sie den Knoten an. Einst hätte sie es vielleicht gewagt, als sie noch jung genug war, um frei von Angst an ihre Fähigkeiten zu glauben. Aber nicht jetzt, da sie sich so verausgabt hatte und so viel Kraft in den Stein und das Holz dieses Ortes hatte strömen lassen. Würde es letztlich überhaupt etwas ändern? Beschtanag war ihr Zuhause. Sie wusste nicht, wohin sie hätte gehen sollen, wenn sie von hier floh.
Und so war sie geblieben.
Eine Jagdgesellschaft erschien am Rand des Waldes, begleitet von Triumphgeschrei. Sie trugen lange Stangen über den Schultern, zwischen denen zwei Rehe hingen. Es waren Männer des Regenten Martinek, wie sie an ihrer Lederrüstung erkannte, die mit Eisenringen besetzt war. Lilias knirschte mit den Zähnen. Sie hatten sich jetzt schon über die Höfe ihrer Kleinpächter hergemacht und ihre Herden beschlagnahmt. Wo die Truppen der Menschen lagerten, war der Boden mit Hammelknochen übersät. Nun bedienten sie sich am Reichtum des Waldes, während ihre Leute hungerten.
»Herrin.«
Gergon trat ein, den Helm unter dem Arm. Er sah unaussprechlich müde aus.
»Wachhauptmann.« Lilias machte ihm auf dem Balkon Platz. »Was gibt es?«
»Es wird erzählt …« Er hielt inne und beobachtete Haomanes Verbündete. Im schwindenden Sonnenlicht trat der ellylische Herold vor und hielt seine dritte Ansprache an diesem Tag, in der er mit schallender Stimme die Herausgabe von Frau Cerelinde verlangte. Gergon suchte ihren Blick mit offenem und ehrlichem Gesicht.
»Man hat Euch gehört, in der Empfangshalle, wo Ihr ohnmächtig wurdet, Herrin. Es wird erzählt, dass das Heer von Finsterflucht nicht kommt. Ist das wahr?«
Lilias antwortete nicht, sondern sah dem ellylischen Herold zu. Wie konnte eine Rüstung nur so glänzen? Sie leuchtete in den Strahlen der tief stehenden Sonne, als er sich auf dem Absatz umdrehte und sich wieder zu den Riverlorn gesellte. Die Ellylon hielten Abstand von den Truppen der Menschen, vom pelmaranischen Lager und den verstreuten Knochen. Nur Aracus Altorus ging zwischen beiden Parteien hin und her und hielt das Bündnis zusammen, den Bund der Kinder Haomanes und Arahilas, um so die Frau zu retten, die er liebte – die Frau, von der er glaubte, dass man sie hier gefangen hielt.
»Ist das wahr?« Gergons Stimme war leise und unnachgiebig.
Was für eine Dummheit, was für eine bestaunenswerte Dummheit! Wenn man sich vorstellte, dass sie so weit gekommen und so hart gekämpft hatten – für nichts. »Nein«, sagte sie. »Das ist eine Lüge.«
Ihr Wachhauptmann seufzte aus tiefster Seele erleichtert auf. »Gesegnet seien die Schöpfer! Wo sind sie, Herrin? Wie lange wird es noch dauern?«
Sie stellte sich, ohne zu zögern, seinem Blick. »Drei Tage. Sie kommen von Jakar.«
Gergon nickte grimmig und verbeugte sich vor ihr. »Dann werden wir bis dahin
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