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Elegie - Herr der Dunkelheit

Elegie - Herr der Dunkelheit

Titel: Elegie - Herr der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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Mauer rund um Beschtanag wie ein zweiter Berg. Lilias konnte es nicht vermeiden, ihn anzusehen, als Haomanes Verbündete den Hügel hinunterzogen und dabei die Mauerlücke passierten.
    Es stimmte, was die alten Legenden sagten. Der Tod hatte Calandor in Stein verwandelt. Die schimmernden Schuppen waren nun stumpf grau, von rötlichem Erz durchzogen. Schon jetzt waren die sehnigen Konturen seiner Gestalt verwittert und verwaschen. Lilias’ Hände zitterten und krallten sich um die Zügel, als ihr Blick über seine Umrisse glitt.
    Da, dachte sie, dieser kleinere Hügelkamm ist sein Schwanz, und dort sieht man die Lenden. Oh ihr Schöpfer, das Eingeknickte unter ihm ist ein Flügel! Er muss ihn sich beim Sturz gebrochen haben.
    Ohne nachzudenken zügelte Lilias abrupt ihr Pferd und stieg eilig ab, zupfte blindlings an ihren Gewändern, die sich am Sattel verfangen hatten. »Zauberin!« Blaises Ruf drang zu ihr wie aus großer Entfernung, unwichtig. Sie stolperte über das Schlachtfeld in den Schatten von Calandors Körper, die Hände vor sich ausgestreckt. Da. Das war seine Schulter, dies eines seiner Vorderbeine, gegen die sie sich so oft gelehnt hatte, um die Wärme seines mächtigen Herzens an ihrer Haut zu spüren.
    »Calandor«, hauchte sie und legte die Hände auf den rauen, grauen Stein. Er war warm von der Sonne. Wenn sie die Augen schloss,
konnte sie sich beinahe der Vorstellung hingeben, dass er noch lebte. Der lange Zackenkamm seines Halses schlängelte sich über den Boden und endete in dem vagen Umriss seines edlen Kopfes; das Kinn ruhte auf der Erde. Nur steinerne Erhebungen waren dort, wo seine grüngoldenen Augen einst geleuchtet hatten. Lilias beachtete die Wartenden nicht, sie umarmte so viel von dem gefallenen Drachen, wie ihre Arme umfassen konnten, und weinte.
    Hufschlag dröhnte auf dem steinigen Boden hinter ihr, und ledernes Zaumzeug knirschte. »Zauberin«, sagte Blaise. »Es ist Zeit zu gehen.«
    Lilias lehnte die Stirn gegen den sonnenwarmen Stein. Wenn sie es versuchte, konnte sie sich beinahe vorstellen, das Pulsieren des eigenen Blutes in ihren Adern sei das stetige Schlagen des Drachenherzens. »Könnt Ihr mir nicht einmal einen kurzen Augenblick der Trauer gönnen?«
    »Nein. Nicht hier. Nicht jetzt.«
    Sie drehte sich langsam zu ihm um und blinzelte mit tränenverquollenen Augen zu ihm auf. Er saß unbeteiligt im Sattel und hielt ihr Ross am Zügel. Hinter ihm warteten Haomanes Verbündete in einer ungeduldigen Reihe. Aracus Altorus führte sie an und blickte grimmig drein; der Soumanië leuchtete auf seiner Stirn. Ein Grüppchen Ellylon und einige Grenzwächter umgaben ihn. Die Bogenschützin sah ihr misstrauisch zu, einen Pfeil lose auf die Sehne von Oronins Bogen gelegt. Eine lange Reihe von Soldaten – Pelmaraner, Mittländer, Vedasianer – folgte dieser Vorhut, beritten oder zu Fuß, und sie alle sahen voll triumphierender Verachtung zu ihr hinüber.
    Es war nicht zu ertragen.
    Lilias drehte den Kopf zur Seite und wandte sich von dem Drachen ab, dann fasste sie nach ihrem Steigbügel. Jemand lachte laut, als sie versuchte, das Pferd ohne Trittschemel zu besteigen. Blaise streckte den Arm aus und zog sie ohne viel Federlesens in den Sattel. Er behielt die Zügel in der Hand und führte sie zum Zug zurück. Dann gab Aracus das Signal zum Weiterreiten.
    Hinter ihnen war beifälliges Johlen zu hören, als ein pelmaranischer
Fußsoldat im Vorbeigehen mit dem stumpfen Ende seines Speers nach dem Zackenkamm von Calandors Schwanz schlug. Andere machten es ihm nach. Gequält wandte sich Lilias im Sattel um und sah, wie jeder der Männer dem steinernen Drachen einen Schlag oder Tritt versetzte und kleine Steinchen abbröckelten. Einer von ihnen spuckte aus.
    »Darden.« Blaise rief einen der fahlgrau gekleideten Grenzwächter zu sich. »Sag ihnen, sie sollen damit aufhören.«
    Der Mann nickte, wandte sein Pferd um und ritt an der Kolonne entlang. Der Befehl wurde unwillig aufgenommen, aber die Leute gehorchten. Nach der Schlacht wollte kaum jemand unter Haomanes Verbündeten den Befehlen der Grenzwächter trotzen.
    »Ich danke Euch«, sagte Lilias, ohne ihn anzusehen.
    Blaise zuckte die Achseln und veränderte seinen Griff um die beiden Zügel. »Er war einer der Ältesten. Das allein verlangt ein Mindestmaß an Respekt.«
    Der Zug kam weiter voran und überquerte den aufgewühlten Boden, wo zuvor das Lager der Verbündeten gewesen war. Die große Zeltstadt war abgebaut worden, aber die

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