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Elegie - Herr der Dunkelheit

Elegie - Herr der Dunkelheit

Titel: Elegie - Herr der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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musste. Hier und dort war an den Stellen, an denen Wandbehänge die Mauern verdeckten, ein Rascheln zu hören, und Cerelinde war inzwischen lange genug in Finsterflucht, um zu vermuten, dass es Meara oder ein anderer Irrling sein mochte, der seiner Arbeit nachging. Sie alle schienen sich unglaublich gut in den vielen Gängen auszukennen, die Finsterflucht durchzogen.
    Im Vorbeigehen stellte sie fest, dass die Mørkhar-Fjel der Finsterflucht-Wacht Vorax weniger beflissen grüßten als Tanaros. Dieser Umstand erfüllte sie mit einem eigentümlichen, unbehaglichen Stolz.
    »Hier entlang.« Vorax führte sie in den schmalen Flur, an dessen Ende die Tür aus poliertem Holz mit silbernen Beschlägen wartete. Cerelinde wich an die Wand zurück, als er an seinem Gürtel nach
dem richtigen Schlüssel suchte. Er warf ihr einen ironischen Blick zu. »Keine Sorge, ich erfülle lediglich die Wünsche meines Herrn. An anderen Dingen habe ich kein Interesse.«
    Cerelinde richtete sich starr auf. »Ich habe keine Angst.«
    »Oh, natürlich.« Er lächelte sauertöpfisch und schob einen schmalen Schlüssel in das Schloss. »Das sehe ich.«
    Das verletzte ihren Stolz – so sehr, dass sie die Hand ausstreckte und sanft mit dem Finger die schorfige Haut seiner Stirn berührte. Hätte sie jene alten Zauberkräfte besessen, die man den Kindern Haomanes nachgesagt hatte, bevor die Welt gespalten wurde, hätte sie ihn vielleicht heilen können. Sie sah, dass sich seine Augen angesichts der zarten Berührung ellylischen Fleisches an seiner rauen Haut verengten. »Seid Ihr verletzt, Fürst Vorax?«
    »Nein«, erwiderte er kurz angebunden, machte sich von ihr los und öffnete die Tür. »Geht schon«, fuhr er fort und gab ihr einen unzeremoniellen Schubs. »Der Fürst wartet.«
    Cerelinde schürzte ihre Röcke, trat über die Schwelle und hob das Gesicht zum Nachthimmel, um einen tiefen Atemzug zu nehmen. Arahilas Mond stand hoch über ihr, ein silbernes Halbrund, und dennoch war es nicht derselbe Garten, den sie mit Tanaros besucht hatte. Es hing ein schwefliger Geruch in der feuchten Luft, die ihre Haut umfing, und Fäulnis schwang darin mit. Tote Flecken verunzierten das Gras, das bleich im Mondlicht lag.
    Zu ihrer Überraschung schmerzte sie dieser Anblick.
    »Fürst Satoris?«, rief Cerelinde.
    »Ich bin hier«, antwortete die tiefe Stimme. »Kommt.«
    Eine dunkle Gestalt verdeckte die Sterne. Sie stolperte über das sterbende Gras zu ihm hinüber. Ein zartes Geräusch drang durch die Nacht: Glöckchen, die leise aufschrien. An schlanken Stängeln erschauerten die glockenförmigen Blüten, ungeachtet des sauren Regens, der ihre Blütenblätter durchdrungen und gelbliche Löcher mit versengten Rändern hinterlassen hatte. Sie ließen ein durchdringendes, trauriges Läuten erklingen und lärmten ohne Unterlass.
    »Oh!« Cerelinde bückte sich und streckte die Hand nach ihnen aus. »Die armen Blüten.«

    »Clamitus atroxis.« Fürst Satoris sah zu den Sternen herauf, die sich in ihrem langsamen Tanz drehten. »Trauerglöckchen, die bei jeder Tat sinnloser Grausamkeit auf Urulat erklingen. Waren sie auch so laut, als Ihr sie das erste Mal hörtet?«
    »Nein.« Sie beugte den Kopf über das Blumenbeet.
    »Ich habe sie auch noch nie so gehört.« Der Schöpfer seufzte. »Obwohl ich fürchte, dass ich es war, der sie läuten lässt, erfreue ich mich nicht an diesem Klang, Cerelinde.«
    Cerelinde strich über die verletzten Blütenblätter der Trauerglöckchen und fühlte, dass sie unter ihren Fingerspitzen erschauerten. Aracus . »Was habt Ihr getan, Herr?«, murmelte sie, und das Blut rann angesichts der Worte des Schöpfers kalt durch ihre Adern.
    »Es gab eine Zeit, da war es anders«, sagte er nachdenklich. »Es war ein süßes Geräusch für meine Ohren, eine befriedigende Erinnerung daran, dass Ihr, die Geringeren Schöpfer, einander durchaus auch ohne meine Hilfe bis aufs Blut verwunden könnt. Dennoch finde ich ihren Klang nicht so süß, wenn ich selbst der Grund bin. Rache schmeckt schnell bitter, wenn sie nicht das richtige Ziel findet. Es war niemals mein Wunsch, das zu sein, wozu mich das Schicksal gemacht hat, Hohe Frau.«
    Cerelinde richtete sie auf und machte einen Schritt nach vorn. »Was habt Ihr getan ?«
    »Fürchtet Euch nicht.« Ein Hauch von Verachtung schärfte seine Stimme. »Der Sohn des Altorus ist in Sicherheit. Es war niemand, den Ihr kanntet, Hohe Frau. Einst waren sie Opfer von Haomanes Zorn. Nun wurden sie zu

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