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Elegie - Herr der Dunkelheit

Elegie - Herr der Dunkelheit

Titel: Elegie - Herr der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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auf den Grund und trieb das Boot voran. Eintauchen und abstoßen, eintauchen und abstoßen. Der Schmerz, der seine schlecht zusammengewachsenen Knochen durchfuhr, war nicht mehr vergessen. Eintauchen und abstoßen, eintauchen und abstoßen. Der Kahn fuhr gurgelnd über das Wasser, und die Raben von Finsterflucht schwärmten über ihm zu einem fliegenden Keil aus. Sie fanden einen Weg, er folgte. Wie weit war weit genug? Mangroven und Palodus gerieten hinter ihnen in Brand und verwandelten sich an diesem unwahrscheinlichen, wassergetränkten Ort in Feuerbälle. Schon bald hatten sie das Herz des Deltas hinter sich gelassen. Uschahin stakte den Kahn, ohne nachzudenken, weiter voran, folgte den gewundenen, engen Wasserstraßen, den Blick auf den fliegenden Keil vor sich gerichtet; kleine Gestalten, dunkel in der Sonne leuchtend, mit schnellen Flügelschlägen, die die Kanten ihrer Flügel neigten, um den Wind zu fangen und darauf zu reiten. Er folgte.
    Unzählige Mangroveninseln zogen an ihm vorüber und zeigten die Entfernung an, die er hinter sich brachte. Zwei, vier, acht … wie weit war weit genug? Wie groß die Entfernung auch sein mochte, er legte sie zurück. Feuerstöße wichen Rauchfahnen, bis deren Finger zerfaserten und sich in der frischen Luft auflösten.
    Die Lichtung mit dem hohen Palodusbaum und ihrem seltsamen Hügel lag hinter ihnen.

    Stille legte sich über das Delta.
    Uschahin stützte sich auf den Staken und keuchte. Nach einer Weile lachte er leise.
    Inmitten des ruhigen Summens der Insekten scharten sich die Raben um ihn, viel enger, als sie es sich in der Gegenwart der Drachin getraut hatten. Einer breitete die Flügel aus und setzte zum Sinkflug an, bis er genau auf der Spitze des Stakens landete und mit feinen Krallen das rohe Holz packte. Er legte den Kopf schräg und sah das Halbblut an, eine Geste, die dank eines unordentlichen Federbüschels auf dem Kopf ein wenig komisch wirkte.
    »Sei gegrüßt, Bring.« Uschahin lächelte. »Ich dachte schon, dass ich dich in der Schar entdeckt hätte. Hast du etwas über die unberechenbare Natur der Drachen gelernt? Ich auch, kleiner Bruder, ich auch.« Er wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. »Ich danke dir dafür, dass du mich an diesen Ort geführt hast, und ich danke dir, dass du mich wieder hinausführst. Ich bin froh, dort lebend herauszukommen.«
    Der Rabe krächzte und polierte schnell und nervös seinen Schnabel an dem Staken.
    »Tanaros?« Uschahins Brauen fuhren in die Höhe. »Er reist durch die Unbekannte Wüste, jedenfalls sagt das der Fürst. Würdest du ihn suchen, Bring? Dort gibt es kein Wasser.«
    Der Rabe nickte mit dem Kopf und hüpfte von einem Fuß auf den anderen.
    »Nun gut.« Uschahin zuckte die Achseln; er war zu müde, um darüber zu streiten. »Geh, wenn du willst. Ich habe Gefährten genug, die mich nach Hause führen können, und ich muss auf dem Weg über vieles nachdenken.«
    Bring krächzte wieder und erhob sich mit aufgeplusterten Federn und schlagenden schwarzen Flügeln. Uschahin Traumspinner sah ihm erheitert nach. »Warum?«, fragte er laut. »Aus Liebe ? Was für eine seltsame Irrung, kleiner Bruder!« Es kam keine Antwort, nur die anderen Raben starrten ihn an, warteten mit eingezogenen Köpfen, und ihr Federkleid schimmerte violett im grün gefilterten Sonnenlicht des Sumpfes. Uschahin seufzte und stieß den Staken wieder ins
Wasser. »Nach Hause«, sagte er zu ihnen und stieß sich kraftvoll ab. »Nach Hause! Vorwärts, Brüder!«
    Die übrigen Raben flogen auf und hielten pfeilschnell auf die Grenzen des Deltas zu. Irgendwo vor ihnen, wo immer weniger Mangroven standen und der Sumpf einer moorigen Ebene wich, wartete ein Reittier auf ihn, ein Ross aus Finsterflucht mit geschwungenem Hals und unnatürlicher Intelligenz im Blick. Uschahin stakte den Kahn weiter voran, den Vögeln folgend, und bahnte sich einen Weg durch die Wasserstraßen.
    Nur einmal hielt er inne und sah zurück.
    Die Große Geschichte, die die ganze Welt umschloss, war noch umfangreicher, als er es sich vorgestellt hatte – als es sich überhaupt jemand vorgestellt hatte. Selbst Fürst Satoris, der dem Rat der Drachen gelauscht hatte, konnte sie nicht in ihrer Gesamtheit im Blick behalten, da ihn die Feindschaft seines Bruders zu sehr umfing. Diese Geschichte war älter als die Zeit, und sie würde den Krieg der Schöpfer überdauern. Vielleicht hatte Uschahins Rolle darin gerade erst begonnen.
    »Ich werde nichts

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