Elegie - Herr der Dunkelheit
Kokon die ganze Zeit böse an. Als ihn dann die Donnerstimme am Schlund herausforderte, ist er wie ein Karnickel geflüchtet. Sie ließen ihn laufen, um zu sehen, wie weit er kommen würde.«
In der Dunkelheit lächelte Tanaros. »Du hast ihn verhört?«
»Ja.« Vorax beugte sich nach vorn und stützte seine speckigen Hände auf die Schenkel. »Ein paar von Hyrgolfs Jungs haben ihm ein paar freundliche Püffe versetzt, als er sich wehrte. Und wir haben ihm seine Füße ins Feuer gehalten.« Als er Tanaros’ Gesichtsausdruck bemerkte, richtete er sich wieder auf. »Nur das Übliche, nicht
so heftig, dass er dauerhaften Schaden genommen hätte. Mag sein, dass ihm ein paar Fingernägel fehlen.«
»Und?« Tanaros wartete auf der Mitte der Treppe.
»Nichts.« Der Stakkianer zuckte die Achseln. »Er sagt, er sei ein Mittländer, ein Pferdedieb. Behauptet, er sei hier, um uns seine Dienste anzubieten. Verrückt scheint er nicht zu sein. Mit allem Weiteren haben wir auf dich gewartet.«
»Danke, Vetter.« Tanaros nahm die letzten Stufen, und seine Stiefel verursachten auf dem feuchten Boden ein schmatzendes Geräusch. Vermutlich stand das Wasser einen Zoll hoch. »Dann lass uns mal anschauen, wen wir da haben.«
Es dauerte einen Augenblick, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Das flackernde Licht der Fackel fiel auf das stehende Wasser und die dunklen, feucht schimmernden Mauern. An der Wand gegenüber lehnte ein einzelner Gefangener mit eingeknickten Knien, der mit seinem ganzen Gewicht an den Ketten hing, die seine Arme in die Höhe zogen. Unter Tanaros’ Blick richtete er sich auf und verursachte mit dem von Blasen bedeckten Fuß kleine Wellen im abgestandenen Wasser. »Heerführer Tanaros Schwarzschwert.« Der breite Mittlandakzent ließ vermuten, dass er tatsächlich aus den fruchtbaren Gegenden südlich von Curonan stammte. Er war jung, hatte die dreißig noch nicht überschritten, und sein hellbraunes Haar fiel ihm lang und fettig in die Stirn. »Ihr gebt jenen, die Euch dienen wollen, ein schönes Willkommen.«
»Du kannst dich glücklich schätzen, Bürschchen«, brummte Vorax, der nun auch das Ende der Treppe erreicht hatte und sich ein wenig an der Wand abstützte. »Die Tordenstem-Fjel hätten dich auch ohne Weiteres umbringen können.«
»Dann habe ich wohl wirklich Glück gehabt.« Der Gefangene lächelte verzerrt. Seine Lippen waren aufgeplatzt und geschwollen, und einer seiner Vorderzähne war bei einem der liebevollen Knüffe der Fjel scharfkantig abgebrochen. »Was sagt Ihr, Heerführer? Könnt Ihr jemanden wie mich gebrauchen?«
Tanaros verschränkte die Arme. »Wer bist du?«
»Speros von Haimhault. Ich würde mich ja anständig verbeugen,
Heerführer, aber …« Der Gefangene zuckte mit den Händen, die schlaff in den eisernen Schellen hingen. Die beiden letzten Finger jeder Hand endeten in blutigen Stümpfen. »Na ja, Ihr seht ja.«
»Und du willst uns deine Dienste anbieten?« Tanaros hob die Augenbrauen. »Andere in deiner Lage würden sich zuerst einmal über ihre Behandlung beschweren.«
Der Gefangene Speros zuckte die Achseln und brachte die Ketten damit zum Rasseln. »Ich kam ohne Ankündigung. In Finsterflucht hat man gute Gründe, misstrauisch zu sein. Sollten wir uns darauf einigen und einfach noch einmal von vorn beginnen?«
Vorax unterdrückte ein Gähnen und ließ seinen massigen Körper auf einen dreibeinigen Hocker sinken, der von den Männern zurückgelassen worden war, die den Gefangenen verhört hatten. Tanaros schenkte ihm keine Beachtung und betrachtete stattdessen den jungen Mann. »Fürst Vorax sagt, du behauptest, ein Pferdedieb zu sein.«
»Das bin ich.« Braune Augen schimmerten durch das verfilzte Haar. »Hab einem jungen Edelmann aus Seefeste mal ein Pferd geklaut, als ich bei einem Hufschmied arbeitete. Eine Weile war ich Beutelschneider, und ich habe Frauen umworben, die ich niemals heiraten wollte. Ich habe als zweiter Anführer in der Freiwilligen Miliz von Haimhault gedient, jedenfalls eine Zeit lang. Ich habe schon alles Mögliche gemacht, Heerführer. Und ich habe jede Menge Ideen. Randvoll mit Ideen bin ich.«
»Hast du schon unschuldiges Blut vergossen?«, fragte Tanaros unumwunden.
Es folgte eine kurze Pause, die nur von einem neuerlichen Gähnen des Stakkianers unterbrochen wurde.
»Ja.« Die Stimme des Gefangenen war sanft. »Das auch.«
Tanaros schritt in der engen Zelle auf und ab, und seine Absätze wühlten das
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