Elementarteilchen kuessen besser
Lächeln spielte um seine Mundwinkel, als ob Philipp die ganze Zeit gewusst hätte, dass sie sich so entscheiden würde. „Wir versuchen es nicht nur, sondern wir werden mit unserem Gesang alle umhauen“, versprach er. „Ich geh noch schnell was zu trinken holen, bevor es losgeht. Braucht ihr noch was?“ Alle schüttelten den Kopf, da ihre Gläser noch halb voll waren.
Linda knetete ihre Finger ineinander und versuchte sich an einem Zen-ähnlichen Zustand – was natürlich völlig misslang. Zitternd atmete sie aus. Von Weitem sah sie zu allem Überfluss Desirée auf ihre Tischgruppe zusteuern. Elegant schlängelte sich Philipps Kollegin auf ihren mörderischen Stöckelschuhen durch die eng stehenden, schweren Sessel in rotem Plüsch.
Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Aber was hatte sie erwartet? Desirée war Philipps Kollegin und – wie es aussah – scharf auf ihn. Da würde sie sich doch nicht die Gelegenheit entgehen lassen, ihn auf der Bühne zu bewundern – und Zeugin für Lindas größtes Fettnäpfchen aller Zeiten zu werden. Einfacher konnte man eine Konkurrentin nicht loswerden: Stelle sie auf eine Bühne und lass sie singen, dann blamiert sie sich schon von ganz allein.
Desirées Aufzug war wieder einmal atemberaubend: ein kurzer, asymmetrisch geschnittener Rock, der aus einer Vielzahl von einzeln vernähten Bändern zu bestehen schien und ihre schmale Figur umschmeichelte. Bei jedem Schritt blitzten kleine, aufgenähte Perlen im gedämpften Licht der Bar und lose Bänder schwangen um ihre Schenkel, sodass der Rock ein Eigenleben zu besitzen schien. Ihr Oberteil bestand aus einer farblich passenden Korsage, die ihre kleinen Brüste zu einem süßen Dekolleté zusammendrückte, das bei Weitem nicht so vulgär und unmäßig groß wie Lindas wirkte. So sehr Linda diese Frau auch hasste, irgendwie schaffte es Desirée doch immer wieder, dass Linda sich klein, unscheinbar und schrecklich altbacken fühlte.
Als Desirée zwei Kollegen erreicht hatte, die sich noch nicht auf ihren Plätzen niedergelassen hatten, begrüßte sie beide in ihrer gewohnt lässigen Art und schenkte ihnen ein kleines Lächeln, das böse Zungen auch als überheblich beschrieben hätten. Dann drehte sie sich mit dem Rücken zu Linda.
Und in diesem Moment fühlte diese eine kribbelnde Wärme von ihrem Bauch aufsteigen. Ein kleines, niederträchtiges Gefühl, das ihre Kehle in Form eines glockenhellen Jubilierens hochzusteigen drohte.
Es gab also doch noch eine ausgleichende Gerechtigkeit!
Siebter Tag – abends
Sehr viel an hat sie nicht – diese Frau. 1/11
Tief in ihrem Inneren befreite sich ein hinterhältiges Grinsen, da sie befriedigt feststellen musste, dass Desirée doch nicht so schön und so perfekt war, wie sie es sich die ganze Zeit eingeredet hatte. Sie war auch nur ein Mensch, der hin und wieder mit voller Wucht in ein Fettnäpfchen tappte.
Desirée war vermutlich direkt von der Toilette gekommen und hatte nicht darauf geachtet, dass alle Zipfel und Bänder ihres Haute-Couture-Rockes da waren, wo sie hingehörten. Ein Teil hatte sich nämlich hinten im Bund verfangen und gewährte freien Blick auf die eine Hälfte ihrer reizenden Rückseite.
Betty bemerkte sofort, dass Linda etwas entdeckt hatte und schaute in die betreffende Richtung. „Oh-ha!“ war ihr einziger Kommentar. Dann: „Man sollte der guten Frau Bescheid sagen, dass sie im Freien steht. Sonst holt sie sich womöglich noch hier in der Karibik eine Blasenentzündung.“
Anna, die mittlerweile auch schon Bescheid wusste, meinte: „Da hast du mal wieder den Nagel auf den Kopf getroffen. Willst du das nicht übernehmen, Linda?“
Die Angesprochene gab ein resigniertes Seufzen von sich. „Das würde ich unheimlich gerne, aber ich bin gerade tierisch damit beschäftigt, meinen Cocktail umzurühren. Meinst du, es reicht noch, wenn ich in einer halben Stunde rübergehe?“
„Na, ich weiß nicht“, meinte Betty skeptisch. „Es ist schließlich nicht schön, wenn man sich unwissentlich vor versammelter Mannschaft zum Affen macht – vor allem wenn man fünfundneunzig Prozent der Leute nicht einmal kennt. Das ist schon überaus peinlich.“
„Du meinst so, wie mit fiesen Blähungen zum Gynäkologen zu gehen?“, fragte Anna bedächtig nach.
Betty grunzte kurz. „Ja, es kommt dem schon sehr nahe. Vor allem, wenn man so ein sympathischer und hilfsbereiter Mensch wie Desirée ist.“
„Dann möchtest du ihr vielleicht die frohe Botschaft
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