Elementarteilchen kuessen besser
sein Umfeld infiltrieren und dann eine Strategie zurechtlegen, um das Kaninchen der Schlange zum Fraß vorzuwerfen. Und Linda war grundsätzlich immer das Kaninchen. Betty wäre ein erfolgreicher Brigadegeneral geworden.
Während Philipp davon erzählte, dass er als Rechtsanwalt bei einer renommierten Firma für medizinische Geräte arbeitete und nach einem erfolgreich abgeschlossenen, internationalen Projekt eine Gratifikationsfahrt mit seinen Kollegen unternahm, beobachtete Linda ihre Freundinnen zwischen halb geöffneten Augenlidern. Sie hatte das Gefühl, dass beide gleich zu sabbern anfingen, wenn Philipp auch nur noch einen weiteren Satz sagen würde, so hingerissen schienen sie von ihm zu sein. Vielleicht sollte sich Linda – trotz ihres Zustands – um ein paar Auffangschalen bemühen?
Als Philipp noch von seiner Seekrankheit zu Beginn der Fahrt erzählte – Aha, deshalb hatte er so schlecht ausgesehen! –, fraßen sie ihm aus der Hand. Doch dieser schien das zu ignorieren und wandte sich zu Linda, um sie zu fragen, wie es ihr ginge, da er sich noch um sein herumstehendes Flipchart kümmern müsse.
„Schon ganz gut“, gab sie zurück, obwohl sie immer noch einen dumpf pochenden Kopfschmerz verspürte. „Ich werde mich am Besten in meiner Kabine mit einem Aspirin ins Bett legen.“
„Aber leider ersetzt ein Aspirin im Bett keinen Mann mit fähigen Fingern“, gluckste Betty gut gelaunt und klatschte die Hände zusammen. „Dann verfrachten wir dich mal in deine Kajüte.“
„Ich helfe euch“, meinte Philipp hilfsbereit und stand auf. Bevor sie reagieren konnte, lag Lindas Arm schon wieder auf seiner Schulter und seine Hand auf ihrer Hüfte, während er sie zum Ausgang bugsierte.
„Nein, du kannst dich ruhig um deine Geschäfte kümmern, ich komme schon allein zurecht“, versuchte Linda ihn zu überzeugen.
„Kommst du nicht“, war Philipps einziger Kommentar.
„Aber dein Flipchart ...“
„... kann warten.“
So ungern sie es zugeben musste: Er hatte recht. Sie war für seine stützenden Arme doch dankbarer, als sie zuerst zugeben wollte, da der Weg zu ihrer Kabine ziemlich weit war. Als sie vor ihrer Tür standen, meinte Philipp überrascht: „Oh, wir sind fast Nachbarn. Meine Kabine liegt gleich da vorne.“
„Sieh einer an“, meinte Betty nur süffisant. „Das Schicksal treibt schalkhaft sein Spiel.“
Philipp blickte sie fragend an. Da sie aber nur lächelnd schwieg, zuckte er innerlich mit den Achseln und führte Linda zu ihrem Bett.
„Falls ihr kein Aspirin haben solltet, kann ich euch gerne von meinem etwas geben“, meinte Philipp abschließend.
„Nein, danke. Das ist lieb von dir.“ Anna lächelte ihn warm an. „Ich habe im Urlaub immer eine ganze Packung dabei.“
„Alles klar.“ Philipp stand noch etwas unschlüssig im Türrahmen, während Anna ihre Freundin fürsorglich zudeckte und Betty die Vorhänge zuzog.
Wie bestellt und nicht abgeholt , dachte Linda und überlegte, wie er mit der Polizeimütze aussah. Mit wem er wohl heute Nacht sein Spielzeug auspackte? „Danke“, sagte sie halblaut und schenkte ihm ein kleines Lächeln.
„Gern geschehen – und entschuldige bitte noch mal meine Ungeschicklichkeit“, gab er zurück, bevor er sich zum Gehen wandte. Und es hatte sich für Linda angehört, als meinte er es genauso aufrichtig und herzlich, wie er es gesagt hatte.
Bevor sich Philipp um sein Flipchart kümmerte, wollte er, wenn er nun schon mal hier war, noch etwas für die Besprechung morgen holen.
Kopfschüttelnd ging er den langen Gang zu seiner Kabine. Er hatte noch nie eine Frau geschlagen, geschweige denn sie dermaßen brutal umgerannt wie Linda gerade vorhin. Vor Entsetzen hatte er sich im ersten Augenblick wie gelähmt gefühlt. Erst ihre Weigerung, seine Hilfe anzunehmen, hatte seinen Kampfgeist zum Leben erweckt. Was musste sie von ihm halten, wenn sie glaubte, er ließe sie allen Ernstes in ihrem Zustand allein übers Schiff irren?
In seiner Kabine legte Philipp sein Sakko und die Krawatte ab und suchte nach Unterlagen, die er einem Kollegen zeigen wollte. Dabei fiel sein Blick auf eine Postkarte mit dem Schwarz-Weiß-Akt einer schlanken Frau mit langen dunklen Haaren und noch längeren Beinen, die – nur mit Stöckelschuhen und einem Paar Handschellen bekleidet – in einer verführerischen Pose abgelichtet war.
Unwillkürlich musste er lächeln, als er daran dachte, wie er reagiert hatte, als er seinen Trolley am ersten Abend nach dem
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