Elementarteilchen kuessen besser
noch jemand das gleiche Bedürfnis wie ich“, hörte sie eine Stimme halblaut sagen und drehte sich überrascht um.
Philipp stand ein paar Meter entfernt und lächelte sie – vermutlich – an. Richtig erkennen konnte sie das nicht, denn seine schwarze Gestalt hob sich scharf gegen die hellen Fenster des Schiffes ab. Nur an seiner tiefen, samtartigen Stimme konnte sie es erahnen.
Er schlenderte auf sie zu, stellte sich neben sie und legte die Unterarme auf die Reling. Jetzt erst konnte sie erkennen, dass er Jeans und ein dunkelblaues Kapuzen-Sweatshirt mit Aufdruck trug.
Er blickte sie verschmitzt durch seine Brillengläser an und fragte: „Na, konntest du nicht schlafen und hast deshalb in der Disco noch die Tanzfläche unsicher gemacht, während deine Freundinnen selig in ihren Betten liegen?“
„Nein, natürlich nicht!“ Linda spürte wieder einmal, wie ihre Unsicherheit eine altbekannte Enge in ihrer Brust erzeugte. Ade, du lieb gewonnene Freiheit! Mühsam schluckte sie den flutartig in ihrem Mund entstandenen Speichel herunter und antwortete: „Ich bin durch irgendetwas geweckt worden und konnte nicht mehr einschlafen. Dann hatte ich das Bedürfnis, ein bisschen frische Luft zu schnappen.“
„So ging es mir auch. Nachdem wir nach dem Abendessen eine Show angesehen hatten, waren wir noch in einer stickigen Bar. Als ich dann schließlich vor einer halben Stunde in der Kabine war, hatte ich das Gefühl, keine Luft zu bekommen. Es hat mich richtig nach draußen gezogen.“ Er betrachtete sie auf seine ruhige, direkte Art, die sie schon zuvor so verunsichert hatte. Sofort wich sie seinem Blick aus und starrte aufs Meer. Vergeblich versuchte sie, das Rasen ihres Herzens unter Kontrolle zu bringen.
Mit weicher Stimme fragte er: „Wie geht es deinem Kopf?“
„Gut, danke. Der Schmerz ist fast verschwunden. Ich habe aber trotzdem noch eine Tablette genommen, damit ich besser schlafen kann. Dann konnte ich aber doch nicht ...“ Linda hatte den Fehler begangen, kurz zu Philipp hinüberzusehen, weshalb ihr die Stimme bei der zweiten Hälfte des Satzes versagte. Schnell schaute sie wieder weg.
Was hat sie nur? , wunderte sich Philipp. Mache ich sie etwa nervös? So unsicher wie jetzt hatte er sie noch nie erlebt. Er hatte zwar keine Ahnung, was Linda beruflich machte, aber er war sich sicher, dass sie in ihrem Job äußerst kompetent war und bedingungslos ihren Mann stand. Umso seltsamer fand er ihr Verhalten jetzt. Das machte ihn allerdings auch neugierig. Gut, dann lasse ich mir mit dir mehr Zeit und genieße einfach nur deine Gesellschaft , dachte er. Vielleicht bekam sie in einem unverfänglichen Gespräch wieder sicheren Boden unter den Füßen.
„Und wie geht es deiner Seekrankheit?“, fragte nun ihrerseits Linda, nachdem sie wieder zu ihrer Stimme gefunden hatte.
„Ich bin ganz zufrieden. Die ersten beiden Tage waren wie immer schrecklich. Aber jetzt geht es. Nur wenn ich in überfüllten, heißen Räumen bin, wird mir manchmal flau. Deshalb bin ich jetzt auch hier. Ich wollte einfach nur vorsorgen.“ Er grinste. Linda bemerkte, dass Philipp schöne, regelmäßige Zähne besaß. Nur die zweiten Schneidezähne oben standen etwas schief, was seinem Lächeln die Perfektion nahm und es viel sympathischer wirken ließ. „Was machst du eigentlich beruflich?“
„Beruflich?!“ Linda wurde aus ihren Überlegungen gerissen und hörte wegen des abrupten Themawechsels sogar selbst die leichte Panik in ihrer Stimme. Was hatten ihr Betty und Anna eingebläut, was sie sagen sollte, wenn sie von einem gut aussehenden Mann gefragt wurde? Auf keinen Fall, dass sie in einem Institut für Quantenphysik promoviert hatte und nun in der Forschung tätig war, an ihrer Habilitation arbeitete und Vorlesungen hielt. Das schrecke die Männer nur ab, hatten sie gemeint. Die würden es nicht mögen, wenn Frauen schlauer seien als sie, und sie sich dadurch unterlegen fühlten. Betty und Anna hatten schon genug negative Erfahrungen sammeln müssen. Deshalb solle sie einfach irgendetwas sagen, was sie denken ließe, sie sei eine Sekretärin, die den ganzen Tag im Büro sitzt, Kaffee kocht und ihre Nägel poliert. So was mochten sie für's Bett.
„Ich arbeite in einem Büro und sitze viel am Rechner“, war das Einzige, das ihr einfiel, ohne lügen zu müssen.
Er lachte kurz auf. „Du bist Sekretärin? Ja, das passt zu dir.“ Linda wollte ihm für seine Frechheit schon eine gepfefferte Antwort geben, als er
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