Elementarteilchen kuessen besser
umspielte seine Mundwinkel, als er an Linda dachte. Sie war die erste Frau, die ihn seit Langem wirklich faszinierte. Ihr Äußeres, ihr widersprüchliches Verhalten, ihre Natürlichkeit.
Immerhin war sie ihm auf diesem riesigen Schiff mit seinen fast zweieinhalbtausend Passagieren durch Zufall über den Weg gelaufen und hatte nach der Überschwemmung im Speisesaal so hinreißend gelächelt, dass sie in seinem Herzen auf Tauwetter geschaltet hatte. Sie hatte schon etwas. Wache, intelligente Augen und einen ganz schön sinnlichen Mund ...
Es blieb abzuwarten, ob sich ihre Wege in dieser Menschenmasse – außer beim Abendessen – noch mal kreuzten oder Linda wegen des Vorfalls heute Abend einen weiten Bogen um ihn schlagen würde.
Vierter Tag – nachts
Er übernimmt mit frischem Ton
die schleppende Konversation.
Darüber scheint auch sie ein wenig froh. 3/6
Irgendetwas hatte sie geweckt. Verwirrt hörte sie in die Stille. Doch sie konnte nicht ausmachen, was es gewesen war. Vermutlich Gäste, die auf dem Gang lautstark nach ihrem Zimmer gesucht hatten.
Nachdem Betty und Anna sie abends alleine gelassen hatten, war sie mit Gedanken an Philipp noch eine Zeit lang im Bett gelegen und hatte auf das Wirken der Schmerztablette gewartet. Die Erinnerung an seine besorgten, warmen Augen hatte sie nicht losgelassen, da sie so gar nicht zu dem Lebemann passten, der er zu sein schien. Über diesen Gedanken und mit dem Gefühl von Philipps Hand auf ihrer Hüfte war sie schließlich eingeschlafen.
Nun lag sie hellwach im Dunkeln und bemerkte mit Bedauern, dass von diesem Druck nichts mehr übrig geblieben war. Sie tastete nach dem Lichtschalter. Null Uhr siebzehn. Sie konnte sich nicht erinnern, ob ihre Freundinnen nach ihr gesehen hatten. Vielleicht hatte sie den Weckversuch auch einfach verschlafen.
Ihrem pochenden Gefühl im Kopf schien es schon besser zu gehen. Trotzdem nahm sie vom Nachttisch noch eine Kopfschmerztablette und schluckte sie mit etwas Wasser herunter, damit sie bis zum nächsten Morgen durchschlafen konnte.
Doch an Schlaf war nicht zu denken. Kaum hatte sie sich herumgedreht, hörte sie ein lang gezogenes Quietschen aus der Nachbarkabine, das sie wieder die Augen öffnen ließ. Es folgte ein brunftiges Stöhnen unterbrochen von hechelnden Tönen, die von hohen Quiekgeräuschen rhythmisch begleitet wurden. Die gesamte Symphonie des Grauens steigerte sich in ein unmäßiges Crescendo der Disharmonien, um mit einem schwer gestöhnten Ausstoß der Erleichterung auszuklingen.
Du liebe Güte, das war ja nicht mehr menschlich! Nach diesem akustischen Paradebeispiel verstand Linda umso weniger, was an Sex so faszinierend und verlockend sein sollte. Aber immerhin war es jetzt in der Nachbarkabine wieder totenstill, dass sie weiterschlafen konnte.
Eine langweilige halbe Stunde und mehrere Hitzewallungen später (Anna hatte sie in ihrer mütterlichen Art wohl zu warm zugedeckt), hatte sie das dringende Bedürfnis, sich die frische Nachtluft um die Nase wehen zu lassen. Da Anna und Betty, wie sie feststellte, Lindas Gästekarte auf dem Beistelltisch vergessen hatten, musste sie sich nicht auf ihren Balkon beschränken.
Als sie warm angezogen an Deck trat, merkte sie sofort, dass es die richtige Entscheidung war. Die Luft war kühl und roch würzig, weshalb sie ein paar Mal befreit durchatmete. Dann trat sie an die Reling und schaute in die Nacht. Sie war undurchdringlich. Dunkler als dunkel. Der Himmel war vermutlich bedeckt, da keine Sterne auf sie herab leuchteten. Irgendwo vor ihr lag das pechschwarze Meer, wovon sie aber nichts erkennen konnte. Dafür lauschte sie dem regelmäßigen Rauschen in der Dunkelheit, wenn sich das Schiff auf seinem Weg zum nächsten Hafen durch die Wassermassen fraß. Nur wenn sie sich vorbeugte, konnte sie erahnen, wie die Wellen als helle Gischt am Schiff emporschlugen.
Als sie sich wieder aufrichtete, spürte sie, wie der seidige Wind zärtlich über ihre Haut strich, als ob zwei sanfte Hände ihr Gesicht hielten. Seufzend schloss sie die Augen und gab sich ganz diesem Genuss hin. Strähnen hatten sich aus ihrem Haar befreit, das sie zu einem losen Knoten zusammengesteckt hatte, und streichelten über ihre Wangen. Es war einfach herrlich!!
Mit geschlossenen Augen stand sie an der Reling und spürte, wie sich ein vorher nicht wahrgenommener Knoten in ihrer Brust öffnete und Platz für eine unglaubliche Freiheit machte, die sie in allen Zügen genoss.
„Da hatte wohl
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