Elementarteilchen
Busens verfolgt. Sie hatte sich mir halb zugewandt und die Beine leicht gespreizt. Ich erinnere mich nicht mehr daran, daß ich die folgende Bewegung ausgeführt habe, ich habe den Eindruck, daß ich mir der Sache nur halb bewußt war. Im Augenblick danach habe ich ihren Schenkel unter meiner linken Handfläche gespürt, die Bilder sind plötzlich durcheinandergegangen, ich habe Caroline Yessayan wieder vor mir gesehen und wäre vor Scham am liebsten im Boden versunken. Der gleiche Fehler, genau der gleiche Fehler wie vor zwanzig Jahren. Wie Caroline Yessayan zwanzig Jahre zuvor hat sie ein paar Sekunden lang nichts unternommen, ist nur ein wenig rot geworden. Dann hat sie meine Hand sehr sanft zur Seite geschoben; aber sie ist nicht aufgestanden, hat keine Anstalten gemacht, fortzugehen. Durch das vergitterte Fenster habe ich ein Mädchen gesehen, das über den Schulhof lief und zum Bahnhof eilte. Mit der rechten Hand habe ich den Reißverschluß meiner Hose geöffnet. Sie hat die Augen aufgerissen und den Blick auf mein Glied herabsinken lassen. Von ihren Augen gingen heiße Vibrationen aus, ich hätte allein durch die Kraft ihres Blickes kommen können, doch zugleich war mir klar, daß sie wenigstens eine Geste machen mußte, um ihr Einverständnis zu zeigen. Meine rechte Hand hat sich auf die ihre zubewegt, doch ich habe nicht die Kraft besessen, die Bewegung ganz auszuführen: Mit einer flehenden Geste habe ich mein Glied genommen und es ihr hingehalten. Sie hat laut aufgelacht; ich glaube, ich habe ebenfalls gelacht und dabei angefangen, zu onanieren. Ich habe weiter gelacht und mir einen runtergeholt, während sie ihre Sachen zusammenpackte und aufstand, um hinauszugehen. Auf der Türschwelle hat sie sich umgedreht, um mir noch einen letzten Blick zuzuwerfen; ich habe ejakuliert und nichts mehr gesehen. Ich habe nur noch das Geräusch der Tür gehört, die ins Schloß fiel, und ihre Schritte, die sich entfernten. Ich war völlig benommen, wie von der Wirkung eines lauten Gongschlags. Aber mir ist es dennoch gelungen, vom Bahnhof aus Azoulay anzurufen. Ich habe keinerlei Erinnerung mehr an die Rückfahrt im Zug und die Fahrt in der Metro; er hat mich um acht Uhr empfangen. Ich konnte nicht aufhören zu zittern; er hat mir sofort eine Beruhigungsspritze gegeben.
Ich habe drei Nächte im Krankenhaus Sainte-Anne verbracht, dann hat man mich in eine psychiatrische Klinik in Verrières-le-Buisson gebracht, die dem Erziehungsministerium untersteht. Azoulay war sichtbar beunruhigt; die Journalisten hatten in jenem Jahr angefangen, viel über Pädophilie zu schreiben, man hatte fast den Eindruck, als hätten sie sich untereinander abgesprochen: >Wir müssen unbedingt etwas über Pädophilie machen, Emile.< All das aus Haß auf die älteren Leute, aus Haß und aus Ekel vor dem Alter, das wurde langsam zu einem nationalen Anliegen. Das Mädchen war fünfzehn, ich war Lehrer und hatte meine Autorität ihr gegenüber mißbraucht; außerdem war sie Nordafrikanerin. Kurz gesagt, der Idealfall, um entlassen und anschließend gelyncht zu werden. Nach vierzehn Tagen ließ seine Unruhe allmählich nach; das Schuljahr ging zu Ende und Adjila hatte offensichtlich nichts erzählt. Mein Fall nahm eine klassischere Wendung. Ein depressiver Lehrer, selbstmordgefährdet, der etwas für seine seelische Gesundheit tun muß ... Das Erstaunliche daran war nur, daß das Gymnasium in Meaux nicht als besonders schwierig galt; aber er hat sich auf Kindheitstraumata berufen, die durch die Rückkehr in dieses Gymnasium reaktiviert worden sind, jedenfalls hat er seine Sache ziemlich gut gemacht.
Ich bin über sechs Monate in dieser Klinik geblieben; mein Vater hat mich mehrmals besucht, er machte einen immer wohlwollenderen und müderen Eindruck. Man hat mich so mit Neu- roleptika vollgestopft, daß ich keinerlei sexuelles Begehren mehr hatte; aber ab und zu haben mich die Krankenschwestern in den Arm genommen. Ich habe mich an sie geschmiegt und mich ein oder zwei Minuten nicht mehr gerührt, und dann habe ich mich wieder hingelegt. Das hat mir so gut getan, daß der Chefarzt der Psychiatrie ihnen geraten hat, sich darauf einzulassen, zumindest wenn sie nichts dagegen hatten. Er ahnte wohl, daß Azoulay ihm nicht alles erzählt hatte; aber er hatte viele schwierigere Fälle, Schizophrene und Tobsüchtige, er hatte nicht allzuviel Zeit, um sich um mich zu kümmern, er wußte, daß ich einen behandelnden Arzt hatte, das war für
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