Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elementarteilchen

Elementarteilchen

Titel: Elementarteilchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
Vom Netzwerk:
resigniert. »Ich bin unfähig, Schweine zu züchten. Ich habe keine Ahnung, wie Würste, Gabeln oder Handys hergestellt werden. Ich bin unfähig, all die Gegenstände zu produzieren, die mich umgeben, die ich be- nutze oder verschlinge; ich bin nicht einmal dazu fähig, ihren Herstellungsprozeß zu begreifen. Wenn die Industrie zum Stillstand käme und die Ingenieure und Facharbeiter alle verschwinden würden, wäre ich unfähig, die Sache wieder in Gang zu bringen, ich wäre nicht einmal in der Lage, für mein eigenes Überleben zu sorgen: Ich wüßte nicht, wie ich mich ernähren, bekleiden und vor Unwettern schützen soll; meine persönlichen technischen Kompetenzen sind denen des Neandertalers weit unterlegen. Ich bin völlig abhängig von der Gesellschaft, die mich umgibt, und bin trotzdem so gut wie unnütz für sie; alles was ich kann, beschränkt sich darauf, zweifelhafte Kommentare über veraltete Kulturgüter abzugeben. Und trotzdem beziehe ich ein Gehalt, und sogar ein gutes Gehalt, das weit über dem Durchschnitt liegt. Den meisten Leuten aus meiner Umgebung geht es genauso. Der einzige nützliche Mensch, den ich kenne, ist im Grunde mein Bruder.«
    »Was hat er denn für außerordentliche Dinge geleistet?«
        Bruno dachte nach und schob auf der Suche nach einer halbwegs verblüffenden Antwort seinen Käse auf dem Teller hin und her.
        »Er hat neue Kühe geschaffen. Das ist nur ein Beispiel. Aber ich erinnere mich, daß seine Arbeiten die Geburt genetisch veränderter Kühe, die hochwertigere und nährstoffhaltigere Milch geben, erlaubt haben. Er hat die Welt verändert. Ich habe nichts getan, nichts geschaffen; ich habe nicht den geringsten Beitrag für die Welt geleistet.« »Du hast nichts Böses getan ...« Christianes Gesicht verfinsterte sich, sie aß schnell ihr Eis auf. Im Juli
    1976 hatte sie vierzehn Tage auf dem Landsitz von di Meola auf den Hängen des Mont Ventoux verbracht, eben dort, wohin Bruno im Jahr zuvor mit Annabelle und Michel gekommen war. Als sie Bruno im Sommer davon erzählt hatte, waren sie über diesen Zufall entzückt gewesen; gleich darauf hatte sie jedoch ein schmerzliches Bedauern überkommen. Wenn sie sich 1976 kennengelernt hätten, als er noch zwanzig war und sie sechzehn, wäre ihr Leben, wie sie glaubte, vielleicht völlig anders verlaufen. An diesem Zeichen hatte sie gemerkt, daß sie schon dabei war, sich in ihn zu verlieben.
    »Im Grunde«, fuhr Christiane fort, »ist es Zufall, aber ein Zufall, der gar nicht so überraschend ist. Meine bescheuerten Eltern gehörten dem anarchistisch angehauchten, leicht ausgeflippten Milieu der 50er Jahre an, in dem auch deine Mutter verkehrte. Es ist sogar möglich, daß sie sich kannten, aber ich habe nicht die geringste Lust, es herauszufinden. Ich verachte diese Leute, ich kann sogar sagen, daß ich sie hasse. Sie stellen das Böse dar, sie haben das Böse getan, und ich weiß, wovon ich rede. Ich erinnere mich noch sehr genau an den Sommer 76. Di Meola ist zwei Wochen nach meiner Ankunft gestorben; er hatte Krebs im Endstadium und schien sich für nichts mehr wirklich zu interessieren. Und trotzdem hat er versucht, mich anzumachen, ich sah damals nicht schlecht aus; aber er hat es nicht lange versucht, ich glaube, er fing an, körperlich zu leiden. Seit zwanzig Jahren hatte er das Theater des alten Weisen gespielt, mit spiritueller Initiation und allem drum und dran, um kleine Miezen zu vernaschen. Man muß zugeben, daß er diese Rolle bis zum Schluß durchgehalten hat. Zwei Wochen nach meiner Ankunft hat er Gift genommen, irgendein sanftes Mittel, das mehrere Stunden braucht, ehe es wirkt; dann hat er alle Besucher empfangen, die auf dem Landsitz waren, und sich für jeden ein paar Minuten Zeit genommen, so in der Art >Tod des Sokrates<, weißt du. Übrigens sprach er über Platon, aber auch über die Upanishaden, Lao-tse, der übliche Zirkus. Er sprach auch viel über Aldous Huxley, erinnerte daran, daß er ihn gekannt habe, schilderte ihre Gespräche; vielleicht hat er einiges hinzugedichtet, aber schließlich lag der Mann im Sterben. Als ich an die Reihe kam, war ich ziemlich beeindruckt, aber dann hat er mich nur gebeten, meine Bluse aufzuknöpfen. Er hat meine Brüste betrachtet, hat versucht, etwas zu sagen, aber ich habe es nicht so recht verstanden, das Sprechen fiel ihm schon ziemlich schwer. Pl ötzlich hat er sich in seinem Sessel aufgerichtet und die Hände nach meinem Busen ausgestreckt. Ich habe

Weitere Kostenlose Bücher