Elena - Ein Leben für Pferde
still bis auf das Geräusch mahlender Pferdezähne. Eines der Pferde schnaubte und Melike nieste unterdrückt.
»Der Staub«, murmelte sie entschuldigend.
Draußen auf dem Hof verabschiedeten sich die Männer, Autotüren schlugen zu, Motoren sprangen an. Das Licht von Scheinwerfern huschte wie der Strahler eines Leuchtturms durch den Stall, dann war es wieder dunkel.
Ich nahm meine Hand von Twix’ Schnauze. Mein Hund schüttelte sich und leckte mir die Hand.
»Los«, flüsterte ich, »hauen wir ab!«
Diesmal widersprach Melike mir nicht. Wir krochen über die Heuballen und ließen uns zu Boden gleiten. Draußen war es mittlerweile stockdunkel geworden. Der See lag still und unheimlich da, der Mond spiegelte sich im pechschwarzen Wasser. Hoffentlich hatten meine Eltern nicht schon eine Suchaktion nach uns gestartet!
Auf einmal wieherte eines der Pferde, Twix knurrte und ich hörte wieder Schritte. Verdammt! Die Männer waren nicht alle weggefahren! Ich ergriff Melikes Hand, zerrte sie hinter mir her, aber plötzlich flammte ein Strahler neben der Stalltür auf und tauchte den Hof in gleißend helles Licht. Geblendet hob ich die Hand vor die Augen und erstarrte vor Schreck. Keine fünf Meter neben uns stand ein Mann, ein Riese mit einem wilden dunklen Bart. Und in seiner Hand hielt er eine Axt.
»Was, zum Teufel, tut ihr hier?« Seine Stimme grollte wie ein Donner.
Ich war vor Angst wie gelähmt, erst als er einen Schritt auf uns zumachte, erwachte ich aus meiner Erstarrung, drehte mich um und rannte, wie ich in meinem ganzen Leben noch nicht gerannt war.
14. Kapitel
»Wir müssen das der Polizei melden!« Melike keuchte wie ein Rennpferd nach dem Zieleinlauf. »Unbedingt!«
»Auf keinen Fall!« Ich schüttelte heftig den Kopf.
Jetzt, wo wir den düsteren Wald hinter uns gelassen hatten und keine hundert Meter entfernt die Lichter des Amselhofes in tröstlicher Vertrautheit leuchteten, fiel die nackte Panik von mir ab. Ich sprang vom Fahrrad, stemmte meine Arme in die Seiten und atmete ein paarmal tief ein und aus.
»Mensch, Elena«, sagte Melike, »das sind die Pferdediebe, von denen seit Wochen geschrieben wird! Wenn wir nichts erzählen, klauen die immer weiter Pferde!«
»Das ist mir egal.« Ich schob mein Fahrrad den sandigen Weg entlang. Meine Gedanken rasten. Und landeten immer wieder an derselben Stelle. Das Training mit Fritzi auf der Waldwiese.
»Jetzt warte doch mal!«, rief meine Freundin mir nach und ich blieb stehen.
»Wenn meine Eltern rauskriegen, dass ich heimlich im Wald herumreite, dann bin ich tot«, erklärte ich mit dramatisch gesenkter Stimme. »Und sie kriegen es raus, wenn wir zur Polizei gehen.«
Melike blickte mich verständnislos an. »Das kann nicht dein Ernst sein«, antwortete sie ungläubig. »Dieser Waldschrat ist mit einer Axt auf uns losgegangen und du willst einfach nichts tun?«
»Nein, ich will ja nicht nichts tun.« Ich suchte krampfhaft nach den passenden Worten, um meiner besten Freundin zu erklären, was mein Problem war. »Aber ich kann jetzt keinen Krach mit meinen Eltern gebrauchen. Dann kann ich das Training mit Tim und Fritzi abhaken. Versteht du?«
Melike nickte langsam. »Ach so, schon klar«, räumte sie ein. »Da könntest du recht haben.«
Sie kaute nachdenklich an ihrer Unterlippe und dachte nach. Wir schoben unsere Fahrräder bis zum Stall.
»Wir müssen trotzdem irgendetwas tun«, sagte Melike. Plötzlich hellte sich ihr Gesicht auf. »Das ist es! Ich rufe mit unterdrückter Nummer bei der Polizei an und sage, dass sie Leute in den Wald schicken sollen! Wie findest du das?«
Im Gegensatz zu mir besaß Melike seit einer Weile ein Handy, um das ich sie glühend beneidete. Der Anruf würde also kein Problem sein und ich fand den Kompromiss in Ordnung. Wenn die Polizei die Pferdediebesbande am Forsthaus hochnahm, würde sich das zwar ganz sicher herumsprechen, aber sobald die Kerle verhaftet waren, würde es für meine Eltern keinen Grund mehr geben, mir Ausritte zu verbieten.
Melikes Handy klingelte. Es war ihre Mutter, die wissen wollte, wo sie bleibe. Wir verabschiedeten uns eilig und sie radelte davon.
Ich schob mein Fahrrad durch den Stall und warf einen Blick in die große Reithalle. Mein Bruder saß auf Quintano, dem Pferd von Herrn Nötzli, mit dem Papa nicht so gut klarkam. Neugierig trat ich näher an die Bande heran. Papa hatte eine niedrige Sprungreihe aufgestellt, die mit einem Oxer endete, und Christian versuchte gerade, das
Weitere Kostenlose Bücher